Mit den Händen Gutes tun

56 Jahre ist es her, dass Arved Müller (links) und Helmut Bartz für die Aktion Sühnezeichen in Frankreich beim Umbau eines alten Schlosses zu einer Schule mitgeholfen haben. | Foto: KEN
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  • 56 Jahre ist es her, dass Arved Müller (links) und Helmut Bartz für die Aktion Sühnezeichen in Frankreich beim Umbau eines alten Schlosses zu einer Schule mitgeholfen haben.
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Es ist ein kühler Oktobertag 1961 in Westberlin, als Pfarrer Franz von Hammerstein 15 junge Männer, überwiegend Handwerker und Bauingenieure, verabschiedet.

Die Gruppe reist im Rahmen der Aktion Sühnezeichen nach Frankreich, um beim Umbau eines Châteaus bei Lyon zu helfen. Zur Gruppe gehören Arved Müller und Helmut Bartz aus Schöneberg. 56 Jahre nach ihrem Einsatz haben sie ein Wiedersehen organisiert.

Müller und Bartz sind damals 21 Jahre alt. Beide sind Maler. Sie stehen mitten im Berufsleben und verdienen ihr Geld. Doch sie halten inne, wollen sich eine Zeitlang als Freiwillige für die Aussöhnung einsetzen, mit ihren Händen etwas Gutes tun.

Arved und Helmut sind nicht nur seit ihrer Schulzeit einander in inniger Freundschaft verbunden, beide sind sie auch tief in der evangelischen Kirche verwurzelt. „Wir haben etwas für die evangelische Kirche, für die Politik getan“, sagt Arved Müller heute über ihre Motive, für die 1958 in Spandau gegründete Aktion Sühnezeichen, eine Organisaton der Friedensbewegung, anzupacken. „Es war aber auch ein Abenteuer für uns“, ergänzt Helmut Bartz.

Die „Lyon-Gruppe“ besteht aus rund 30 Teilnehmern, vier davon sind Frauen. Wochen und Monate anstrengender Zuarbeit für französische Handwerker liegen vor allen. Ein baufälliges Schloss in Saint-Cyr-au-Mont-d'Or soll zu einer Schule für junge Theologen der französischen reformierten Kirche umgebaut werden.

An den Wochenenden in Gastfamilien lernen Arved und Helmut Land und Leute kennen. Der deutsche Konsul in Lyon, Paul Graf Yorck von Wartenburg (1902-2002), besucht die Gruppe. Er bringt ein 60-Liter-Fass Beaujolais mit. Auch eine Fahrt nach Paris steht auf dem Programm.

Ressentiments gegenüber Deutschen hätte es sehr wohl gegeben, erzählen Müller und Bartz. Es ist kaum zwei Dekaden her, dass in Lyon Gestapo-Chef Klaus Barbie gewütet hat. Das Pflänzchen Europäische Union ist noch zart. Mitte Juni 1962 sind die Arbeiten abgeschlossen. Arved Müller bleibt noch vier Monate länger. Sein Freund Helmut ist schon nach einem halben Jahr nach Berlin zurückgereist. „Ich war frisch verliebt, als ich nach Frankreich fuhr“, verrät er.

Über ein halbes Jahrhundert ist seit dem Einsatz vergangen. „Wir haben in Frankreich eine andere Denkweise gegenüber Anderssprachigen und Andersdenkenden bekommen“, resümiert Helmut Bartz die Monate, die beider Leben geprägt hat. Während eines Besuchs in Lyon vor drei Jahren sei die Idee eines Wiedersehens der ehemaligen „Sühner“ entstanden.

Für Arved Müller war es indes nicht einfach, die Kameraden ausfindig zu machen. Die Aktion Sühnezeichen Friedensdienste, in deren Chronik es keinen Eintrag zur „Lyon-Gruppe“ gibt, habe ihm vorgeblich aus Datenschutzgründen keine Adressen übermittelt, sagt er. So hat der rüstige Rentner aus der Badenschen Straße, der über 30 Jahre gemeinsam mit seiner Frau für die Schöneberger Sozialkommission ehrenamtlich tätig war, im Internet und in Telefonbüchern recherchieren müssen. Mit Erfolg: 16 ehemalige Teilnehmer, inzwischen im Alter von 75 bis 82 Jahren, werden sich am 3. Mai zu Beginn der Europawoche vor dem Rathaus Schöneberg einfinden. Sie kommen aus Berlin, Bayern, Hessen, Niedersachsen und Hamburg.

„Wir haben das Rathaus Schöneberg als Treffpunkt ausgesucht, da es sehr geschichtsträchtig ist“, erläutert Arved Müller. Geplant sind eine Führung und der Besuch der dortigen Dauerausstellung „Wir waren Nachbarn“. Danach geht es in ein nahegelegenes Restaurant.

„Es ist, als ob nichts dazwischen gewesen wäre“, so die beiden Freunde vor der Begegnung, an der auch die Tochter ihrer französischen Gastfamilie und der reformierte Pfarrer von damals teilnehmen.

Autor:

Karen Noetzel aus Schöneberg

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