„Stummfilm-Graf“ Stephan von Bothmer im Café Eule im Gleisdreieckpark
Das erste, was man sieht, wenn man Stephan Graf von Bothmer im Gleisdreieckpark begegnet, ist ein lustiges, schneeweißes Knäuel. Brix, der fünf Jahre alte Coton de Tuléar-Rüde des Pianisten und Komponisten, kommt freudig angerannt.
Der Park ist dem „Stummfilm-Grafen“ besonders lieb. Er war Quartiersrat im inzwischen beendeten Quartiersmanagement Magdeburger Platz/Tiergarten-Süd. Stephan von Bothmer verfolgte über längere Zeit die Idee eines Open-Air-Kinos im Gleisdreieckpark und schrieb dafür Konzepte. Das Freilichtkino kam zwar nicht, dafür aber so manches andere Sinnvolle wie beispielsweise eine Toilette.
Wenn der Graf nicht einen seiner 100 Auftritte im Jahr hat oder wie gerade jetzt ein Jubiläumsfestival zum 20-jährigen Bestehen seiner Stummfilmkonzerte feiert (www.stummfilmkonzerte.de), nutzt er die freie Zeit, um in den Park vor seiner Haustür am Rande Schönebergs zu flanieren und dort vielleicht über sein nächstes Projekt in Ruhe nachdenken zu können.
Bei dieser Gelegenheit kann sein vierbeiniger Begleiter ausgelassen herumtollen. Der Künstler seinerseits erahnt so etwas wie Natur und Landleben. „Meine Familie lebt seit 500 Jahren an einem Ort“, erzählt Stephan von Bothmer, der aus einem alten niedersächsischen Adelsgeschlecht stammt und auf einem Gut aufgewachsen ist. Im Gleisdreieckpark erspüre er die Weite.
Die Großstadt Berlin also ein „Kulturschock“ für den klassisch ausgebildeten Musiker? Ein wenig vielleicht. Noch größerer Umstellung bedurfte es indes, sagt Stephan von Bothmer, dem „reisenden Volk“ anzugehören. So nennt der Musiker seine Zunft der Künstler, die wie er regelmäßig auf Tournee gehen.
Einen besonderen Lieblingsort im Gleisdreieckpark hat der musikalische Botschafter des keineswegs vergangenen und mitnichten verstaubten guten alten Kintopps selbstverständlich auch: das Café Eule mitten im Grünen. Es ist nur über Parkeingänge an der Bülowstraße zu erreichen. Entdeckt hat es Stephan von Bothmer, wie könnte es anders sein, auf seinen Spaziergängen mit Brix. „Ich mag seinen Charme, das Rohe, Provisorische“, bekennt der Mittvierziger. „Es ist Off-Kultur, hat keine Etikette, ist draußen, ein Marktplatz unter Bäumen“, schwärmt er. Die Betreiber seien nette Leute und könnten guten Kaffee kochen.
Kein Wunder also, dass sich Stephan von Bothmer hier in der wärmeren Jahreszeit auch zu geschäflichen Besprechungen verabredet – zu Gemüsesuppe, deren Zutaten direkt aus der Kleingartenkolonie im Gleisdreieckpark stammen, zu hausgemachtem Kuchen oder Quiches. Und der nächste Frühling kommt ja bestimmt.
Autor:Karen Noetzel aus Schöneberg |
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