Die Akustik ist teilweise besser
Bezirksverordnetenversammlung tagte in der Sporthalle am Sachsendamm
An diesem frühen Abend wird kein Ball geprellt und es werden keine Freiwürfe ausgeführt. Statt eines Handballspiels vor der Kulisse begeisterter Fans sind Redebeiträge und dazwischen das Rascheln hauchdünner Plastiktütchen zu hören.
Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) tagte nach dreimonatiger Zwangspause wieder – in der Sporthalle Schöneberg. Auf der Spielfläche verteilen sich unter Einhaltung des coronabedingten Mindestabstands die Verordneten an ihren Tischen. Sie tragen blaue Plastiküberzieher an den Füßen oder Hallenturnschuhe.
„Der Hallenboden muss geschützt werden“, erklärt BV-Vorsteher Stefan Böltes (SPD). „Eine Reparatur wäre unangemessen teuer.“ Er sitzt mit seinen Stellvertretern auf einem Podest an der Westseite und hat eine gute Übersicht. Sportstadtrat Oliver Schworck (SPD) ergänzt: „Ich habe keine Lust, den Boden ganz abschleifen zu lassen.“ Es wird kolportiert, dass das bezirkliche Facility Management (FM) im Hause von Stadtentwicklungsstadtrat Jörn Oltmann (Grüne) vorgeschlagen hatte, den Boden mit Auslegeware zu schützen, Kostenpunkt: 15 000 Euro. Gerücht hin oder her, so ist es gewiss preisgünstiger.
Zu dieser BVV-Sitzung musste man sich anmelden, damit die Verwaltung die entsprechenden Schutzmaßnahmen ergreifen kann. Wer um Einlass bittet, muss auf einer Liste stehen, Mitarbeiter des Bezirksamts, Pressevertreter, eine Handvoll Bürger. Sie sitzen auf der Tribüne hinter den Verordneten. Mit fünfminütiger Verspätung eröffnet Stefan Böltes die Sitzung. In den zweimal 90 Minuten plus halbstündiger Pause zum Lüften, die er mit der Trillerpfeife beendet, geht es so normal und geschäftsmäßig zu, als hätten die Verordneten noch nie anderweitig getagt. Selbst das Überstülpen der Plastiktütchen über das Mikrophon ist nach kürzester Zeit Routine. Die Grünen verwenden ihre Tütchen mehrfach, klar. Gewöhnungsbedürftig sind Ort und Umstände nur Einwohner, die eine Frage vortragen wollen. Sie müssen bis zum Mikro Slalom laufen.
„Ich war sehr überrascht, wie reibungslos es vonstatten ging. Die Akustik war teilweise besser als im eigentlichen BVV-Saal.“ Die Anordnung der Sitzreihen und die Ausstattung der Sporthalle seien einer BVV-Sitzung würdig gewesen, wird hinterher der grüne Fraktionsvorsitzende Rainer Penk loben. Aus den anderen Fraktionen ist vielfach Ähnliches zu hören. „Ganz normal“ findet CDU-Mann Ralf Olschewski die Sitzung. Er war zuletzt vor 20 Jahren in der Sporthalle; wie Jan Rauchfuß (SPD). „Es ist schön, wieder mal an diesem Ort zu sein.“ Damals habe er hier Handball gespielt. „Glorreiche Zeiten waren das“, schwärmt Rauchfuß. Sein Zwillingsbruder Lars ist etwas kritischer: „Es ist keine echte Sitzung mit lebendiger Debatte“, merkt er an. Doch eine Mehrheit der Verordneten ist zufrieden und freut sich vor allem über die „familienfreundliche“ Sitzungsdauer.
Rund drei Wochen haben die Abteilung FM, das Gesundheitsamt und das BVV-Büro diese Tagung vorbereitet. „Mit viel Engagement und Überstunden“, merkt Stadtrat Jörn Oltmann an. Die Entscheidung für den Veranstaltungsort fiel im BVV-Ältestenrat einstimmig. Die vorgeschlagenen Alternativen, Willy-Brandt-Saal oder doch der übliche BVV-Saal, beides im Rathaus Schöneberg, oder die Sporthalle am Baußnernweg in Marienfelde, kamen aus unterschiedlichen Gründen nicht in Frage.
Die Sporthalle werde voraussichtlich bis zur Sommerpause Ort der BVV bleiben, für die reguläre Juni-Sitzung und für eine Zusatzveranstaltung, falls Anfragen, Anträge, Beschlussempfehlungen noch offen bleiben, kündigt Vorsteher Stefan Böltes an. Letzeres ist sehr wahrscheinlich. Denn nur sehr wenig auf der Tagesordnung vom 27. Mai ist abgearbeitet worden. Spätestens ab September, davon geht man im BVV-Büro aus, werden die Verordneten den Willy-Brandt-Saal im Rathaus Schöneberg nutzen können. Die nächste Sitzung in der Sporthalle Schöneberg findet am 17. Juni um 17.30 Uhr statt.
Autor:Karen Noetzel aus Schöneberg |
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