"Sparwahn und bittere Pillen" - Angelika Schöttler im Sommerinterview
Tempelhof-Schöneberg. Im Frühjahr hat Bezirksbürgermeisterin Angelika Schöttler (SPD) für Tempelhof-Schöneberg eine Haushaltssperre verhängt. Für die CDU ist dieser Schritt das Ergebnis verfehlter Politik. Die anderen Parteien fordern ein Konsolidierungskonzept, das rasch greift. So schnell wird es aber nicht gehen.
CDU-Fraktionschef Ralf Olschewski sieht für Tempelhof-Schöneberg den Ruin heraufdämmern. Hat er Recht?
Angelika Schöttler: Nein, Ralf Olschewski möchte, dass die Welt schlecht ist, weil die CDU 2011 gerne den Bürgermeister gestellt hätte.
Ist schon Wahlkampf?
Zumindest glauben das offensichtlich Einige.
Wie ist die Situation des Bezirks?
Viele Jahre sah der Bezirk blendend aus, war aber eigentlich krank. Das habe ich erkannt. Seitdem bekommt der Bezirk eine Kur, was ihn allerdings zunächst belastet. Das Resultat wird dann aber ein gut aussehender und gesunder Bezirk sein.
Was ist geschehen?
Bis 2012 haben wir jedes Jahr ungefähr 60 Stellen abgebaut. Das ergab eine Ersparnis von 2,7 Millionen Euro pro Jahr. Weitere Stellen blieben unbesetzt. Mit der Folge, dass immer weniger Aufgaben erledigt wurden. Der Bezirk hat immer weniger Leistungen für den Bürger erbracht und dadurch vom Finanzsenator weniger Zuweisungen erhalten. Aber wir hatten ja unser dickes Überschusspolster.
Warum ist Tempelhof-Schöneberg so verfahren?
Der Bezirk wollte einen schlüssigen Haushalt aufstellen. Der Zusammenhang zwischen sinkenden Personalzahlen und schrumpfendem Budget ist nicht gesehen worden. Es gab im Bezirksamt wenig Willen umzusteuern und schwierige Prozesse anzustrengen. Nicht besetzte Stellen zu streichen war eben ein einfacher Weg.
Wo fehlt es an Personal?
Es fehlt überall. Wir haben Bereiche, in denen es schwierig ist qualifizierte Bewerbungen zu finden. Im Bau-, aber auch im Arzt- und Sozialbereich ist die Konkurrenz der freien Wirtschaft sowie der Landes- und Bundeseinrichtungen groß. Die Verwaltung können wir derzeit noch gut mit Auszubildenden nachbesetzen.
Wie lange dauert eine Stellenbesetzung im Schnitt?
Ein Dreivierteljahr. Manche auch deutlich länger.
Welche Strategie verfolgen Sie jetzt?
Wir wollen schnell Stellen besetzen. Wir wollen räumlich zusammenrücken. Das heißt, das Rathaus Friedenau aufgeben. Wir werden in diesem Jahr Millionen an Investitionsmitteln verbauen. Das bringt uns große Entlastung. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir ab 2017 die Früchte ernten werden.
Warum war die Haushaltssperre überhaupt notwendig?
Weil die Umsteuerung nicht so schnell wie nötig erfolgt ist. 2014 hatte einen schlechten Jahresabschluss, ohne dass wir 2016 schon die Entlastungen spüren könnten. Jetzt müssen wir in 2015 für 2016/2017 Vorsorge treffen.
Wer muss die bittere Spar-Pille schlucken?
Wir stellen nur in den Verwaltungsbereichen ein, die „zum Aufrechterhalten der Verwaltung unbedingt nötig sind“. Der Umsteuerungsprozess soll nicht behindert werden. Natürlich tut es weh, wenn schöne Veranstaltungen ausfallen müssen.
Welche wären das und was fällt sonst noch weg?
Zum Beispiel eine Einbürgerungsveranstaltung, Zuschüsse für Straßenfeste, Sondermittel für die BVV. Der Bürgerhaushalt liegt auf Eis. Ich habe bei mir eine Stellenbesetzung abgebrochen. Auch größere Baumaßnahmen können sich verschieben.
Schade, dass im September 2016 Wahlen in Berlin sind?
Dieser Umstrukturierungsprozess benötigt zwei Wahlperioden. Dumm ist, dass das Tal genau in der Mitte, also im Wahljahr, liegt. Das ist schwer als Erfolg darzustellen. Aber diese Herausforderung nehme ich gern an, denn es ist ein Erfolg und wird den Bezirk aus der Krise führen.
Wie werden Sie das anstellen?
Die Strategie lautet: Wir stellen Leute ein, wir sanieren, wir bauen um. Finanziell schwierige Bereiche müssen sich nicht weiter kaputtsparen, sondern die Struktur verbessern. Wir haben die Bereiche Bibliotheken, Schul- und Jugendamt im Fokus. Im Jugendamtsbereich ist schon unheimlich viel passiert. Neue Strukturen sind beschlossen. Bei den Bibliotheken sind die Umstrukturierungsmaßnahmen noch in der Diskussion. Ich werde darauf drängen, dass sie in diesem Jahr noch auf den Weg gebracht werden. Das habe ich auch in meiner Amtszeit erreicht: Man geht anders an solche großen Projekte heran. Ich verfolge zwei Ziele zugleich: alle Bereiche müssen qualitativ und finanziell zukunftsfähig werden.
Das Gespräch führte Karen Eva Noetzel.
KEN
Autor:Karen Noetzel aus Schöneberg |
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