Schöneberg. Gemeinsam mit der Unteren Denkmalschutzbehörde des Bezirksamts stellt die Berliner Woche regelmäßig ein "Denkmal des Monats" vor. Im Mai ist es die Kapelle des Neuen Zwölf-Apostel-Kirchhofs südlich des S-Bahnhofs Schöneberg.
Ruhe, Einkehr, Geborgenheit: Fehlanzeige! Der Neue Zwölf-Apostel-Kirchhof am Werdauer Weg 5 ist rau und ruppig, nie richtig leise und damit immer mitten im Leben. Die Stadtplaner haben es nicht besonders gut mit der Anlage gemeint: In der NS-Zeit zusammengestümmelt und erheblich verkleinert füllt der Friedhof heute eine Fläche zwischen Ringbahn, Recyclinghof, Autovermietung und Stadtautobahn. Laufpublikum verirrt sich selten hierher - denn inmitten seiner unwirtlichen Nachbarschaft kann sich der Kirchhof kaum bemerkbar machen. Und dennoch: Die Anlage hat ihren besonderen, spannenden Charme.Nachdem der erste, der Alte Zwölf-Apostel-Kirchhof in der Kolonnenstraße schon wenige Jahre nach seiner Eröffnung im Jahr 1864 als erster Gemeindefriedhof vor Ort zu klein geworden war, wurde die Ausweichfläche am Werdauer Weg angelegt. Vor ziemlich genau 130 Jahren, im Juni 1883 fand hier die erste Beisetzung statt - damals freilich noch am Rand der eigenständigen Stadt Schöneberg mit naturbelassener Umgebung. Um 1890 schließlich entstand die Kapelle am Friedhofseingang nach Plänen des Schöneberger Architekten Paul Egeling. Der damalige Stadtbaurat hat übrigens auch das Stadtwappen mit den Hirschen entworfen, das später als Wappen des Bezirks Schöneberg verwendet wurde und auch ins aktuelle Bezirkswappen von Tempelhof-Schöneberg mit aufgenommen wurde.
Die Kapelle präsentiert sich bis heute als schlichter, eingeschossiger Backsteinbau mit Satteldach. Das Mauerwerk ist von verschiedenartigen Vor- und Rücksprünge, beispielsweise in Kreuzform, geprägt. Der Giebel ist von kleinen Türmchen - Fialen - bekrönt. An den Hauptbau schließt sich ein Nebengelass an, in dem früher offenbar die Toten aufbewahrt wurden. Heute wird der Raum von einem Beerdigungsinstitut genutzt.
Eine deutliche Veränderung erfuhr der Friedhof in der Nazizeit: Der südliche Teil, immerhin gut die Hälfte der Gesamtfläche, wurde entwidmet, weil auf dem Areal der repräsentative Südbahnhof der Weltstadt Germania nach Plänen Albert Speers entstehen sollte. Rund 7000 Tote wurden dafür auf den Stahnsdorfer Friedhof verbracht. Zwar wurden die Pläne bei Kriegsausbruch 1939 vorerst auf Eis gelegt. Bebaut wurde das Areal nach dem Krieg dennoch: Wo früher Gräber waren, führt heute die Berliner Stadtautobahn entlang. Diesen Ausblick auf die vorbeirauschenden Autos gibt es sicherlich auf keinem anderen Friedhof.
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