Führung durch das 100 Jahre alte Kammergericht

Ulrich Wimmer freut sich auf Besucher bei der nächsten Führung durch das Kammergericht. Sie beginnt am 3. April um 15 Uhr. | Foto: Caspar
2Bilder
  • Ulrich Wimmer freut sich auf Besucher bei der nächsten Führung durch das Kammergericht. Sie beginnt am 3. April um 15 Uhr.
  • Foto: Caspar
  • hochgeladen von Helmut Caspar

Schöneberg. Nach dem erfolglosen Attentat vom 20. Juli 1944 auf Hitler inszenierte das NS-Regime im Kammergericht am Kleistpark unter Leitung des berüchtigten Präsidenten des Volksgerichtshofs, Roland Freisler, eine Serie von Schauprozessen, bei denen die Angeklagten beschimpft und erniedrigt wurden, bevor man sie zum Tode verurteilte.

In seiner unersättlichen Rachsucht ließ Hitler ab August 1944 das Gerichtsverfahren heimlich filmen und weidete sich an den Demütigungen, die die zuvor gefolterten und in schäbiger Kleidung vorgeführten Angeklagten erleiden mussten. Wie bei einem Besuch 1913 eröffneten Justizpalasts weiter zu erfahren ist, wurden die Aufnahmen unter Verschluss gehalten. Es sollte nicht bekannt werden, welchen Umfang die Widerstandsbewegung selbst in hohen und höchsten Kreisen hatte und unter welchen Bedingungen die Schauprozesse abliefen. Als "Geheime Reichssache" deklariert wurden die wegen der Schreie des durch seine Brutalität berüchtigten Gerichtspräsidenten Freisler schwer verständlichen Aufnahmen nur einem ausgewählten Kreis von NS-Funktionären vorgeführt. Am Ende der Führung durch den weitgehend noch im Zustand wie vor 100 Jahren erhaltenen Gerichtssaal kann man per Video Ausschnitte aus jenem Film anschauen und sehen, dass die Angeklagten in ihren letzten Lebensstunden Haltung bewiesen. In dem prunkvoll ausgestatten Saal wird auf Gedenktafeln an die Männer und Frauen erinnert, die in Deutschlands dunkelster Zeit ihrem Gewissen folgten und dafür ihr Leben gaben.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war das Gebäude Sitz des Alliierten Kontrollrats und der Alliierten Luftsicherheitszentrale. Am 3. September 1971 wurde hier das Viermächte-Abkommen unterzeichnet, das das Verhältnis von West-Berlin zur Bundesrepublik und den Transitverkehr regelte.

Seit 1991 beherbergt das Haus wieder das Kammergericht, den Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin und die Generalstaatsanwaltschaft sowie weitere Einrichtungen der Berliner Justiz. Stolpersteine an der Elßholzstraße auf der Rückseite des Kammergerichts erinnern an Berliner Juristen, die in der NS-Zeit ihre Arbeit und ihr Leben verloren, weil sie Juden waren. Mitarbeiter des Kammergerichts haben Geld für die Messingtafeln gesammelt und wollen für die Verfemten und Verfolgten weitere Stolpersteine hinzufügen, sagt Richter Ulrich Wimmer beim Rundgang. "Die Architektur ist imposant. Wer das Haus betrat, sollte sich klein und hilflos vorkommen, und auch heute kann man sich der typisch kaiserzeitlichen Beeindruckungsarchitektur nicht ganz entziehen", sagt Wimmer. Kaum bekannt sei, dass der Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher am 18. Oktober 1945 im Plenarsaal des Kammergerichts mit der Vorlage der Anklageschrift eröffnet wurde. Bekanntlich wurde er in Nürnberg fortgesetzt.

Die nächsten Führungen gibt es am 3. April, 3. Juli und 2. Oktober ab 15 Uhr bei freiem Eintritt. Sie beginnen im Treppenhaus und gehen dann weiter in verschiedene Gerichtssäle. Besucher lernen darüber hinaus die riesige Dienstwohnung kennen, in denen früher die Präsidenten des Kammergerichts mit ihren Familien lebten. Von der einstigen Pracht ist noch heute manches in den zu Büros umgewandelten Räumen zu sehen.

Die Teilnehmerzahl ist auf 25 Personen begrenzt. Für größere Gruppen sind gesonderte Termine möglich. Anmeldung per E-Mail an pressestelle@kg.berlin.de oder unter 90 15 22 90
Helmut Caspar / HC
Ulrich Wimmer freut sich auf Besucher bei der nächsten Führung durch das Kammergericht. Sie beginnt am 3. April um 15 Uhr. | Foto: Caspar
Imposant ist das monumentale Treppenhaus des Hauses, in dem nach 1945 der Alliierte Kontrollrat untergebracht war. | Foto: Caspar
Autor:

Helmut Caspar aus Mitte

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Folgen Sie diesem Profil als Erste/r

Kommentare

Kommentare sind deaktiviert.

Beitragsempfehlungen

Gesundheit und MedizinAnzeige
 Ist Ihr Herz gesund? Informieren Sie sich am 20. November über Herzschwäche und wie man sie erkennt und behandelt. | Foto: Caritas-Klinik Maria Heimsuchung

Infos über Herzinsuffizienz
Vortrag: „Herzschwäche erkennen und behandeln“

Die Caritas-Klinik Maria Heimsuchung lädt Sie herzlich zu einem informativen Vortrag am 20. November 2024 von 17 bis 18 Uhr ein. Unter dem Titel „Stärke dein Herz – Herzschwäche erkennen und behandeln“ erfahren Sie Wissenswertes über die frühzeitige Erkennung und moderne Behandlungsmöglichkeiten der Herzinsuffizienz. Dr. med. Philipp Krauser, Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie sowie Oberarzt im Caritas Kardiozentrum Berlin, wird in dem Patienteninformationsabend auf die typischen...

  • Pankow
  • 30.10.24
  • 273× gelesen
WirtschaftAnzeige
Tätowierungen sind eine Kunst mit jahrtausendealter Geschichte, die über Jahrhunderte hinweg die Körper der Menschen schmückte. Doch der Beruf des Tätowierers ist nicht nur kreative Arbeit. Es ist ein anspruchsvolles und faszinierendes Handwerk. | Foto: VEAN TATTOO
3 Bilder

VEAN TATTOO
Tätowierer: einer der gefragtesten Berufe unserer Zeit

Tätowierungen sind eine Kunst mit jahrtausendealter Geschichte, die über Jahrhunderte hinweg die Körper der Menschen schmückte. Doch der Beruf des Tätowierers ist nicht nur kreative Arbeit. Es ist ein anspruchsvolles und faszinierendes Handwerk, das nicht nur künstlerische Fähigkeiten, sondern auch ein tiefes Verständnis des gesamten Prozesses erfordert. In diesem Artikel wird VEAN TATTOO Ihnen die Welt der Tätowierkunst näherbringen und erläutern, warum der Beruf des Tätowierers heute zu den...

  • Mitte
  • 28.10.24
  • 405× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Leiden Sie unter anhaltenden Knie- oder Hüftschmerzen? Erfahren Sie, wie Sie mit modernsten Methoden Ihre Mobilität zurückgewinnen. | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Infoabend am 12. November
Leben ohne Knie- und Hüftschmerzen

Leiden Sie unter anhaltenden Knie- oder Hüftschmerzen, die jeden Schritt zur Qual machen oder Ihnen sogar in Ruhe keine Erholung gönnen? Es muss nicht so bleiben! Besuchen Sie unseren Infoabend "Leben ohne Knie- und Hüftschmerzen: Schonende & komfortable OP-Methode!" und erfahren Sie, wie Sie mit modernsten Methoden Ihre Mobilität zurückgewinnen – schonend, effektiv und ohne Angst vor einem Eingriff. Expertenwissen kommt beim Infoabend am 12. November aus erster Hand: Tariq Qodceiah, Chefarzt...

  • Reinickendorf
  • 01.11.24
  • 127× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für rund 105.000 Haushalte im Bezirk Lichtenberg baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom
2 Bilder

Telekom macht's möglich
Schnelles Glasfasernetz für Lichtenberg

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes im Bezirk Lichtenberg auf Hochtouren. Damit können rund 105.000 Haushalte und Unternehmen in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Karlshorst, Lichtenberg und Rummelsburg einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Schnell sein lohnt sich Wer jetzt einen Glasfaser-Tarif bei der Telekom beauftragt, gehört...

  • Bezirk Lichtenberg
  • 30.10.24
  • 268× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.