Ein Kiez auf den Barrikaden
Akteure wehren sich gegen Ende des Quartiersmanagements
„Liebe Frau Senatorin, ziehen Sie sich warm an. Wir gehen auf die Barrikaden.“ Mit Ankündigungen wie dieser von Larissa Neu vom Hilfsverein „Harmonie“, mit Argumenten, Appellen und Bitten haben soziale Träger, Bezirksverordnete und Quartiersräte versucht, Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) davon abzubringen, das Quartiersmanagement (QM) im Schöneberger Norden in zweieinhalb Jahren zu beenden.
Die Senatorin war Gast einer Sitzung des Präventionsrats, einer Bürgerversammlung im QM-Gebiet. Baustadtrat Jörn Oltmann (Grüne), der am seit bald 20 Jahren bestehenden Quartiersmanagement (Jahreskosten 200 000 Euro) festhalten will, bis der vom Senat geförderte „Campus der Generationen“ an Kurmärkischer und Frobenstraße 2024 fertig ist, nannte noch einmal alle Argumente: hohe Arbeitslosigkeit, viele Sozialtransferempfänger, viele Migranten, drohende Kinderarmut, Mangel an Grünflächen und Treffpunkten für Jugendliche, Investitionsstau an den Schulen, eine aus allen Nähten platzende Stadtteilbibliothek, neue Probleme wie Drogen, Gewalt, Prostitution.
„Die Wahl des Zeitpunkts für die Verstetigung des Quartiersmanagements ist falsch“, so Oltmann. Ab 1. Januar 2021 soll das Quartiersmanagement vom Bezirk finanziert werden. Es heißt dann Stadtteilkoordination und besteht aus einem Stadtteilkoordinator und vielleicht, wie in Tiergarten-Süd, zusätzlich noch aus einem Stadtteilforum, das von engagierten Bürgern getragen wird.
Niemand im Schöneberger Norden traut so recht einer einzigen Person zu, das zu organisieren und zu lenken, was bisher professionell von einem QM-Team getragen wird. „Unvorstellbar“ angesichts der wachsenden Probleme, so Jutta Husemann, Leiterin des Nachbarschafts- und Familienzentrums in der Kurmärkischen Straße. Nach dem Ende des Quartiersmanagements funktionierten die Netzwerke sicherlich nicht mehr, meint Quartiersrat Matthias Bauer. Eine Vertreterin der Mittwochs-Initiative unter dem Dach der evangelischen Zwölf-Apostel-Kirchengemeinde, die sich um Sexarbeiter und Heroinkonsumenten kümmert, bangt um die weitere Finanzierung ihrer Arbeit. Wenn der Bezirk die 200 000 Euro für die Quartiersarbeit im Haushalt veranschlagen müsse, würden viele andere Projekte aufgegeben, warnt Stadtrat Jörn Oltmann.
Katrin Lompscher aber, so der Eindruck nach der Veranstaltung, bleibt in der Frage hart. Zum einen glaubt die Senatorin nicht, dass sich Kinderarmut, steigende Mieten und die Verdrängung der angestammten Bevölkerung über ein Quartiersmanagement bekämpfen lassen, zum anderen sieht sie das große Ganze. In Berlin gibt es derzeit 34 QM-Gebiete. „Es gibt Gebiete, die haben es nötiger“, sagt Lompscher. Der Schöneberger Norden gehöre nicht mehr dazu. Die Senatorin braucht „Spielraum für die Zukunft“. 2020 laufe die EU-Förderperiode für Quartiersmanagements aus, um neu ausgeschrieben zu werden. Aufgrund des Brexit werde das Geld aber weniger.
Was im Schöneberger Norden aufgebaut wurde, soll „in geeigneter Weise“ weiterfinanziert werden. Das Wie könne in den verbleibenden zweieinhalb Jahren gefunden werden. Eine Unterstützung des Senats sei möglich. Berlin stehe finanziell viel besser da als 1999, als die ersten QM-Gebiete entstanden. Der Bezirk solle sich nicht in Abhängigkeit von Förderprogrammen bringen, meint die Senatorin, und Jörn Oltmann sich nicht verkämpfen. Der Stadtrat hat angekündigt, über das Anzapfen weiterer Fördertöpfe nachzudenken. Von Katrin Lompscher wünscht er sich einen besonderen Budgettopf für die Übergangszeit vom QM in die bezirkliche Regelfinanzierung. Das Bezirksamt will bis 2021 in den sieben Ortsteilen je einen Stadtteilkoordinator installieren. Für den Schöneberger Norden soll es einen eigenen Sozialkoordinator geben.
Autor:Karen Noetzel aus Schöneberg |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.