Der Schöneberger Norden wird Milieuschutzgebiet
Der gesamte Schöneberger Norden ist zum Milieuschutzgebiet erklärt worden. Nach Zustimmung der Bezirksverordnetenversammlung von Tempelhof-Schöneberg hat der Bezirk dafür eine entsprechende soziale Erhaltungsverordnung erlassen.
Mit der Ausweisung als Milieuschutzgebiet nach dem Baugesetzbuch sollen rund 5400 oder 40 Prozent der Haushalte in dem Wohngebiet vor einer Verdrängung durch Einkommensstärkere geschützt werden. Die genannten Mieter verfügen gemessen am Berliner Durchschnitt nur über ein unterdurchschnittliches Einkommen. 2700 Haushalte leben sogar in prekären Verhältnissen.
Der Schöneberger Norden mit seinem Migrantenanteil von knapp 54 Prozent wird immer attraktiver. Neue Bewohner ziehen seit rund dreieinhalb Jahren verstärkt in den Kiez. Sie sind zwischen 27 und 45 Jahre jung, haben Kinder, können sich etwas leisten. Zum Beispiel eine energetisch sanierte, modernisierte Altbauwohnung, vielleicht aus zwei kleineren Wohnungen zusammengelegt, mit neu gefliestem Band, Fußbodenheizung und Doppelfenstern in allen Zimmern, Gäste-WC, einem zweiten Balkon, Aufzug – eben das, was der Berliner Mietspiegel als „gute“ oder „gehobene“ Wohnlage bezeichnet; zur Miete oder zum Kauf. Das mit einer Untersuchung im Vorfeld des Milieuschutzerlasses beauftragte Büro Topos für Stadtplanung, Landschaftsplanung und Stadtforschung hat festgestellt, dass im Untersuchungszeitraum 17 Prozent des Wohnungsbestands modernisiert wurde, Hauseigentümer gern weiter in Modernisierungen investieren und schon eine erkleckliche Zahl vom Miet- in Eigentumswohnungen umgewandelt wurde. Und es gibt noch jede Menge Wohnungen im Schöneberger Norden, die für das zahlungskräftige Publikum über den sogenannten Vollstandard hinaus ausgestattet werden könnten, zum Nachteil der bisherigen Bevölkerung.
Dem ist nun ein Riegel vorgeschoben worden. Hier darf künftig nur modernisiert werden, um einen „zeitgemäßen Ausstattungsstandard“ zu erreichen, also etwa der Anbau eines vier Quadratmeter kleinen Balkönchens oder die Erneuerung von Sanitär- oder Elektroinstallationen.
Denn der Bezirk befürchtet fünf Folgen, ließe er der Entwicklung freien Lauf: den Verlust preiswerten Wohnraums, für den es in Berlin derzeit keinen Ersatz gibt; den Verlust gewachsener Nachbarschaften; die Abwanderung der einkommensschwachen Haushalte in Viertel, die schon Problemkieze sind; horrende Ausgaben für neue Kitas und Grundschulen, die jetzt schon an der Belastungsgrenze sind; einen Verkehrskollaps mit Staus auf den Hauptverkehrsstraßen, zugeparkten Seitenstraßen, Lärm und Abgasen.
Jörn Oltmann (Grüne), Stadtrat für Stadtentwicklung, hat angekündigt, auch die Wohnblöcke nördlich der Hohenstaufenstraße und beidseitig der Martin-Luther-Straße untersuchen zu lassen. Er hält es für mehr als plausibel, dass auch dieses, zumeist von Einkommensschwachen bewohnte Gebiet für eine soziale Erhaltungsverordnung taugt.
Die meisten Wohnungen stammten aus den 50er- und 60er-Jahren und seien inzwischen in Privateigentum übergegangen, so der Stadtrat. Zunehmend interessierten sich Investoren für diese Nachkriegswohnhäuser – mit allen negativen Folgen für deren Bewohner: umfangreiche Aufwertung, Umwandlung in Wohneigentum, Abriss und Neubau.
Autor:Karen Noetzel aus Schöneberg |
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