Einsatz in der Bahnhofsmission am Zoo: Ulli Zelle vom RBB, Moderator Sven Oswald und Taxi24. Und ich…
Seit zwei Wochen war ich jetzt nicht mehr in der Bahnhofsmission, um ehrenamtlich mitzuhelfen, jetzt wird's aber echt mal wieder Zeit für mich, sonst krieg ich noch Entzugserscheinungen. Das mein ich Ernst.
Heute ist ein besonderer Einsatz
Ich komm in den Speisesaal und staune: Eine große Runde Männer und Frauen sitzt schon da in den blauen Westen der Bahnhofsmission zur Besprechung des Ablaufs. Dass da heute auch Ulli Zelle vom RBB und Moderator Sven Oswald sitzen, um auch mitanzupacken, und Taxi24 einen freiwilligen Servicetag macht, hab ich vorher gar nicht gewusst. Schön, dass sie da sind, Respekt!
So- Besprechung vorbei, jeder ist eingeteilt für Küche, Essensausgabe, Betreuung im Speisesaal, Spülmaschine und den Türdienst. Ich bin heute vor der Tür, um notfalls deeskalierend eingreifen zu können, wenn es zu kleinen Streitigkeiten unter den Gästen kommt, was aufgrund der Situation von Obdachlosen ja nicht wirklich verwundert.
Jetzt geht's los
Ich guck mir die Warteschlange an und betrachte die einzelnen Grüppchen drumherum. Erst mal alles ruhig. Die erste der drei Mittagessensausgaben beginnt. Es ist 14 Uhr.
Ulli Zelle und Sven Oswald helfen unterdessen drinnen bei der Ausgabe mit und teilen Essen an die Gäste aus. Das sind sowohl Obdachlose als auch Menschen, die zwar ein Dach über'm Kopf haben, aber allein von ihrer Grundsicherung nicht leben können. Altersarmut- nur eines der Armutszeugnisse der Gesellschaft.
Fehlende Toiletten rund um die Uhr- ein echtes Problem
Plötzlich laute Beschimpfungen ein paar Meter weiter vor dem Ende des Osttunnels. Ich geh hin und frag, was los ist. Punk Chrissi (*) ist sauer. Anja (*), die nicht zu seiner Gruppe gehört, pinkelt gerade in den Tunnel, obwohl das Hygienecenter nebenan noch offen hat. „Das is so eine F…., weißte, das fällt wieder auf uns zurück und wir kriegen den Ärger mit den Bullen. Wir versuchen, hier alles sauber zu halten und dann kommt die. Wenn ich mal muss, geh ich zur Not in den Park!“ Er ist richtig stinkig. Zu Recht- im Tunnel und davor schlafen viele Obdachlose. Aber es fehlen auch einfach Toilettenmöglichkeiten rund um die Uhr.
Danach beruhige ich noch ein paar Gäste in der Schlange, die sich ärgern, dass sie so lange warten müssen und erkläre, dass wir ja nicht alle auf einmal reinlassen können, weil wir gar nicht so viele Sitzplätze haben.
Bei der zweiten Essensausgabe tickt allerdings eine junge Frau komplett aus, weil sie wohl ein Ticket für die erste Ausgabe hatte und nicht drankam. Wahrscheinlich war sie eine Weile weg gewesen. Sie schreit jedenfalls Ulli und die anderen an der Tür lautstark an. Okay, so geht’s nicht- erst mal Tür zu, bis sie sich wieder beruhigt hat.
Mit Ulli und Sven mittendrin
Inzwischen hat nämlich auch Ulli Zelle den Dienst an der Essensausgabe gegen den Türdienst getauscht, genau wie Sven Oswald, um möglichst viel mitzubekommen. Wir kommen ab und zu ins Quatschen. Ulli ist echt geerdet und passt in die Welt. Ich mag den ja total, auch wenn ich ihn bisher jahrzehntelang nur aus dem Fernsehen kannte. Privat ist der aber genauso nett wie vor der Kamera. Alle beide.
Zwischendurch schaukelt sich die Stimmung an einer anderen Ecke zwischen ein paar Gästen hoch. Ich will eingreifen, schlichten. Schichtleiter Andi, der hauptamtlich in der Bahnhofsmission arbeitet, möchte auf gar keinen Fall ein Risiko für die Ehrenamtler eingehen und ruft sofort die Polizei, die auch ruckzuck da ist und die Situation souverän klärt. Okay, das nächste Mal weiß ich Bescheid und geh gleich rein, Andi.
Die Glocke läutet, es ist 18 Uhr- die letzte Mittagessenausgabe ist für heute vorbei. Die Gäste gehen durch die Tür- bedanken sich, sagen Tschüs. Viele freundliche Gesichter. Wir wünschen ihnen einen schönen Abend und sie uns auch.
Man bekommt vieles zu sehen- und viel zurück
Ich mach langsam Feierabend, gehe zur U-Bahn. Normalerweise lese ich immer während der Fahrt von meiner „normalen“ Arbeit nach Hause ein Buch. Nach den Einsätzen in der Bahnhofsmission nicht- da ziehen die Erzählungen der Gäste an meinem geistigen Auge vorbei. Das gibt mir viel- jedes Mal.
Zum Beispiel die Frau aus Frankfurt, die heute mit Tränen in den Augen zu uns kam, weil sie ihren obdachlosen Bruder, der nach Berlin gekommen war, sucht, von dem sie seit langem nichts mehr gehört hat. Sie macht sich große Sorgen um ihn. Erst mal mit Kaffee, Wasser, Taschentüchern und einem offenen Ohr versorgt. Dazu kommt auch Sozialarbeiterin Anna-Sofie, die sich gleich darum kümmert, dass am Schwarzen Brett nun ein Bild von dem Bruder und die Kontaktdaten der Schwester stehen, in der Hoffnung, dass beide sich bald wiederfinden. Ich drück die Daumen!
Vorher gab's noch Trouble mit Heinz-Wilhelm (*), der wahrscheinlich schon länger auf der Straße lebt und oft sehr, sehr laut ist. Auch hier hat Anna-Sofie ihn einfühlsam „abgeholt“- sie kennt halt ihre Pappenheimer und bringt ihn dazu, mal etwas leiser zu reden. Danach komm ich mit ihm ins Gespräch- ein sehr intelligenter Typ, der einiges auf dem Kasten hat. Aber das Leben auf der Straße hat ihn leider schon stark gezeichnet. Vor allem wohl psychisch. Oder vielleicht war das vorher schon das Problem. Ich weiß es nicht. Aber ich mag ihn.
Viele gute Gespräche hatte ich mit obdachlosen Gästen, die sich zum Abschied dafür bedankt hatten. Ich kann mich nur zurück bedanken!
Zum Schluss verabschiedete ich mich draußen noch von Chrissi, der sich extra nochmal entschuldigte, dass er vorhin etwas harsch reagiert hat. Chrissi erzählte mir, dass er 10 Monate lang im Krankenhaus war, um seine Abzesse behandeln zu lassen. Passiert oft auf der Straße- leider. Aber er sagte mir auch, dass er einen Heroinentzug gemacht hat. Mega, Chrissi, Hochachtung von mir! Auch wenn du jetzt erst mal wieder auf der Straße gelandet bist, ist das ein ganz großer Schritt!
All das und viele andere Erlebnisse gehen mir durch den Kopf. Aber mich belastet das nicht, mir gibt das einfach viel. Deshalb bin auch schon sehr gespannt auf das nächste Wochenende- da werd ich das erste Mal im Hygienecenter mithelfen bei Leiter Kai und ich weiß noch nicht, wie das sein wird. Aber ich lass es erst mal locker auf mich zukommen. Ach ja, Kai: Danke für die Bratwurst neulich! Und ja, ich bring selbstgebackenen Käsekuchen mit, hab ich ja gesagt- ich freu mich!
(*) Namen geändert
Kontakt Berliner Bahnhofsmission am Zoo:
Jebensstr. 5
10623 Berlin
Tel: 030- 31 80 88
www.berliner-stadtmission.de
Autor:Antje Gebauer aus Schöneberg |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.