Bauen und leben mit Geflüchteten: Idee nimmt Gestalt an
Schöneberg. Auf der Schöneberger Insel nimmt eine Idee Gestalt an, die zu einem wegweisenden Pilotprojekt werden könnte: „Bauen und Integrieren mit und für Geflüchtete“.
Die Idee stammt von syrischen Flüchtlingen selbst. Vor Ausbruch des Bürgerkriegs war bei Aleppo ein Berufsausbildungszentrum geplant. Federführend beteiligt war der Bauunternehmer Horst Renziehausen. Heute ist er im Ruhestand und lebt in Schöneberg. Gemeinsam mit zunächst wenigen Mitstreitern in der Initiative „50 plus kompakt“ entwickelte er ein Konzept für das besondere Dorf, das jetzt eben nicht bei Aleppo sondern in Berlin gebaut werden soll.
Es umfasst Werk- und Ausbildungsstätten, 218 Wohnungen für drei bis sechs Bewohner, Freizeiträume, 2500 Quadratmeter Dachfläche für Hochbeete zur Selbstversorgung; in der Mitte wäre ein Integrationscafé ein „preiswerter Veranstaltungsort“ . Mit dem Projekt würden viele Probleme gelöst, meinen die Akteure. Es entstünden würdige Unterkünfte. Die Geflüchteten erhielten eine Aus- und Weiterbildung, um nach Ende des Bürgerkriegs ihre Heimat wieder aufbauen zu können und vorher hierzulande den Fachkräftemangel abzufedern.
Aufgrund der modularen Bauweise verspricht Horst Renziehausen eine kurze Bauzeit und eine Kosteneinsparung von bis zu 20 Prozent. „Billiger bauen und dabei kostengünstiger integrieren in bisher einmaliger Form“, fasst er es zusammen.
Inzwischen hat das Projekt viele Anhänger gefunden. Sie kommen aus ganz Deutschland, in der Mehrzahl aber von der Schöneberger Insel: Pädagogen und Polizisten, Studenten und Elektriker, Architekten, Künstler, Maurermeister und Tischler. Der Kreis der aktiven Ehrenamtlichen hat sich erweitert. Kürzlich empfing sie Horst Renziehausen in seinem Büro in der Gotenstraße 76 zum Kennenlernen und Abstimmen der nächsten Schritte.
Während Raumausstatterin und Künstlerin Christine van Beveren sehr große Lust verspürt, mit Flüchtlingen ein Atelier aufzubauen, sagt Werbekaufmann Ulrich Esch, das Projekt sei genial, weil Flüchtlinge eine Aufgabe bekämen. „Die Akzeptanz von Flüchtlingen in Deutschland ist höher, wenn man weiß, dass sie gut ausgebildet in ihre Heimat zurückkehren“, sagt Esch.
Für geflüchtete Menschen sei es in der derzeitigen Situation in Berlin schwierig, Arbeit und eine Wohnung zu finden, weiß Stephanie Siegmund. Die Berufsschullehrerin für kaufmännische Fächer hat eine Willkommensklasse unterrichtet und erfahren, wie motiviert ihre Schüler sind. „Sie wollten gleich parallel zur Schule arbeiten gehen.“
„Total motivierte und engagierte“ Flüchtlingen, „die etwas erreichen wollen“, hat auch Parastoo Taghizadieh getroffen. Die gebürtige Iranerin hat sich in den vergangenen zwei Jahren um unbegleitete Minderjährige gekümmert. Über „Bauen und Integrieren“ sagt Taghizadieh: „Ein phantastisches Projekt.“
Davon müssen nun auch die mit der Integration beschäftigten Senatsverwaltungen überzeugt werden. Hoffnungsfrohe informelle Kontakte unter anderem zur Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) gab es bereits. KEN
Autor:Karen Noetzel aus Schöneberg |
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