Berlins erste Jugendfeuerwehr
Mehr als nur eine Vorliebe für rote Autos
Beim Gruppenabend gibt es einige feste Rituale. Das Antreten zu Beginn gehört dazu. 22 Jugendliche zwischen zwölf und 18 Jahren stehen an diesem Abend zunächst in Reih und Glied. Nach der Begrüßung wird einem Geburtstagskind der vergangenen Tage gratuliert und Leon (12) als neues Mitglied begrüßt. Beides unterstützt von einem dreifachen "Gut Schlauch". Dann geht es in kleineren Einheiten an verschiedene Aufgaben.
Jeden Montag trifft sich die Jugendfeuerwehr in der Freiwilligen Feuerwehr Staaken. Einen Tag später ist der Termin für die Kindergruppe, wo Kinder ab acht Jahren mitmachen können. Zusammen genommen gehören laut der Homepage 13 Mädchen und 36 Jungen zum Nachwuchs dieser Feuerwehr ganz im Westen von Berlin. Die Zahl wäre inzwischen überholt, sagt Daniel Hentschel, Betreuer der Jugendlichen. "Mittlerweile sind es insgesamt mehr als 50".
Ein Potenzial, das die Berliner Feuerwehr schon lange erkannt hat. Häufig kommen aus diesen jungen Aktiven nicht nur die späteren Freiwilligen, sondern auch Berufsfeuerwehrleute. Staaken tut sich dabei besonders hervor, was mit der Geschichte dieser Jugendfeuerwehr zusammenhängt. Sie war die erste in Berlin.
Die Anfänge reichen bis ins Jahr 1974 zurück, 1978 wurde sie auch offiziell anerkannt. Generationen von Feuerwehrleuten haben die Nachwuchsorganisation durchlaufen. Auch der heutige Kommandant Daniel Brose, Jahrgang 1973. Schon sein Vater war hier Wehrleiter. Seine Mutter Rosemarie Brose legte vor mehr als 40 Jahren als erste Frau in Berlin die Feuerwehrprüfung ab. Bis heute betreut sie die "Bambinis" genannte Kindergruppe. Es gibt aber auch Seiteneinsteiger wie Daniel Hentschel, der vor rund 20 Jahren nach vorherigem Einsatz bei der damals aufgelösten Freiwilligen Polizeireserve den Weg zur Feuerwehr fand.
Es ist aber gerade in Staaken so, dass nicht wenige Kinder und Jugendliche über familiäre oder freundschaftliche Verbindungen zur Jugendfeuerwehr kamen. Nachfragen beim Gruppenabend bestätigen das. "Eltern", "Bruder", "der Opa", "Cousin", "Bekannte" hätten sie auf dieses Engagement aufmerksam gemacht, sind häufige Antworten. Etwa bei einem Drittel gäbe es einen Feuerwehr affinen Hintergrund, sagt Daniel Brose.
Andere sind durch besondere Aktivitäten aufmerksam geworden. Immer wieder genannt wird dabei das "Kontaktfeuer", eine Veranstaltung, die in Zeiten vor Corona an jedem letzten Wochenende im April stattfand. Ein Treffen, bei dem auf dem Feuerwehrgelände bei Lagerfeuer Image- und Nachwuchswerbung betrieben wurde. Es soll, wenn es die Pandemie und die Vorschriften erlauben, auch wieder aufleben.
Weitere Angebote wie Gruppenreisen oder Ferienfahrten gehören ebenfalls zum Programm. Die Jugendfeuerwehr tritt bei Veranstaltungen auf und wer bestimmte Leistungskriterien erfüllt, ist sogar bei Einsätzen dabei – immer dem Alter entsprechend.
Trotz all dieser Angebote, der Tradition und den familiären Bindungen bleibt die Frage, warum die meisten hier teilweise schon seit ihren Kindertagen mitmachen und immer noch dabei sind? Warum leisten sie überhaupt ehrenamtliche Arbeit und weshalb bei der Feuerwehr? Was gefällt ihnen dabei besonders?
Die Antworten treffen sich in der Ansicht, hier einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten. Als "interessante und nützliche Freizeitaktivität" beschreibt Sebastian (16) seine Motivation. Zusammen mit Maximilian (19) ist er Jugendsprecher der Gruppe. Begeisterung für Technik wird genannt. Nico (19) sagt, dass er "große rote Autos mit Blaulicht schon immer cool fand." Nach acht Jahren Zugehörigkeit weiß er auch, wie die im Einzelnen funktionieren.
Die Gemeinschaft stellt Lotti (16) heraus. Mädchen sind zwar in der Jugendgruppe noch immer eine Minderheit, aber auch ihre Zahl steigt. Das Geschlecht spiele überhaupt keine Rolle, sagt Lotti. Die Frage, ob das Engagement bei der Feuerwehr nicht weniger Zeit für andere Vergnügen lässt, geht bei ihr ins Leere. "Die meisten meiner Freunde habe ich hier", erklärt sie.
"Teamfähigkeit", "Hilfsbereitschaft", "Zuverlässigkeit", "Offenheit", "Vertrauen", das sind einige Attribute, mit denen die Jugendlichen beschreiben, worauf es bei ihrem Engagement ankommt und was sie dabei besonders hervorheben wollen. Es geht um das Funktionieren als Gruppe und die Aufgabe, die jede und jeder darin hat. Alle sind dabei wichtig. Daraus entwickelt sich ein Gemeinschaftsgefühl. Fachlich reicht das vom richtigen Verknoten von Seilen über Kenntnisse zum Beispiel des Durchmessers eines Wasserschlauchs, Ausbildung in Erster Hilfe bis zu detaillierten Angaben über die Bestandteile eines Feuerwehrfahrzeugs.
Wer sich für den Einsatz bei der Feuerwehr begeistere, bringe meist schon sehr viel Verantwortungsgefühl mit, lautet die Erfahrung von Daniel Brose und Daniel Hentschel. Das Interesse wach zu halten, es sozusagen für die Allgemeinheit nutzbar zu machen, sei ihre Aufgabe und die von anderen Kameraden, die, in und aus der Jugendfeuerwehr heraus, mit Führungsaufgaben betraut werden. Rund ein Dutzend Jugendliche würden aktuell vor dem Sprung in die Freiwillige Feuerwehr stehen, berichtet der Wehrleiter. "So viele wie noch nie."
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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