Als Steglitz ein bedeutendes Seidenbauzentrum war
Dass Steglitz einst eine wichtige Stätte der Seidenproduktion war, ist heute weitgehend unbekannt. 1840 lies der königliche Hoflieferant und Seidenfabrikant Johann Adolf Heese (1783-1862) an der Schloßstraße, Ecke Grunewaldstraße Maulbeerbäume anpflanzen – dort wo heute der runde Pavillon standen die ersten Bäume.
Bis 1845 legte Heese eine riesige Plantage mit 35 000 Bäumen an. Heute wird das gesamte Areal von der Heese-, Berg-, Filanda- und Südendestraße umschlossen. Die Zufahrt auf die Plantage erfolgte ungefähr dort, wo die heutige Plantagenstraße verläuft. Die Anlage bildete eine komplette Filanda mit Kokon-Hapselei und Zwirnerei. Daher auch der Name Filandastraße.
So konnte alles an einem Ort produziert werden. Die Raupen fraßen sich am Laub der Maulbeerbäume dick und rund. Dann spannen sie sich in Kokons ein. Die Behausungen der Puppen bestand aus dem begehrten Seidenfaden. Auseinander gezogen kann dieser bis zu 4000 Meter lang sein. Die Kokons kamen in die Haspelei, wo die Puppen in Wasserdampf oder mit kochendem Wasser abgetötet wurden. Der Kokon wurde dabei aufgelöst und der Faden mit bis zu sieben weiteren Fäden zu einem Webfaden gesponnen, der dann zu kostbarer Seide verarbeitet wurde.
In China wurden Maulbeerbäume schon seit Tausenden von Jahren für die Seidenproduktion genutzt. Der zarte Stoff war auch in Preußen begehrt. Nach dem Dreißigjährigen Krieg förderte der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm den großflächigen Anbau von Weißen Maulbeerbäumen für die Seidenproduktion. So wollte er sich von teuren Importen aus China unabhängig machen. Friedrich der Große intensivierte schließlich die Produktion der wertvollen Fäden. Mit staatlichen Preisgarantien, der kostenlosen Verteilung von jungen Maulbeerbäumen und Raupeneiern des Seidenspinners gab er Subventionsanreize.
Heese produzierte industriell so große Mengen Rohseide, dass sein Unternehmen in der Mitte der 1850er-Jahre zu Deutschlands bedeutendstem Seidenbauzentrum wurde. Neben der Seide verkaufte Heese europweit auch die Samen der Maulbeerbäume und die Eier für die Raupenzucht.
Die erfolgreiche Seidenproduktion nahm 1861 ein jähes Ende. Eine Seuche raffte die empfindlichen Seidenraupen dahin. Außerdem sorgten strenge Winter für erhebliche Verluste unter den frostempfindlichen Maulbeerbäumen. Heute zeugt noch ein etwa 165 Jahre alter Maulbeerbaum auf dem Althoffplatz von der Zeit, als in Steglitz Seide produziert wurde.
Autor:Karla Rabe aus Steglitz |
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