Arbeit am eigenen Werk
Auf der Bühne des Autorenforums stellen unentdeckte Talente ihre Texte vor

Blicken auf einen konstruktiven Abend zurück: Rolf Kanzen, Rainer Willert, die erste Vorsitzende des Autorenforums, Slavica Klimkowksy, und Kristof Matthies (von links). | Foto: Julia Hubernagel
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In den kleinen Salon der Schwartzschen Villa lädt jeden Montag das Autorenforum ein. Hobby- wie Berufsautoren lesen aus ihrem Werk und stellen sich der oftmals scharfen Kritik des Publikums. Moderiert wird der Abend von Mitgliedern des Vereins, der dieses Jahr 35-jähriges Jubiläum feiert. Ein Besuch bei Lesefreudigen.

Hart zum Text, sanft zum Autor, so lautet das Motto, unter dem man sich zum Offenen Leseabend zusammenfindet. „Manche finden die Kritik zu hart, aber ich finde alles sinnvoll, was dem Text dient“, sagt Slavica Klimkowsky. Die Autorin ist erste Vorsitzende des Autorenforums, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, unerfahrene Talente aus der Dachkammer zu locken. Herzstück des Vereins ist der Offene Leseabend, zu dem man sich wöchentlich einfindet. Nur zehn bis 15 Minuten lang darf vorne gelesen werden, dann wird das Gehörte einer genauen Kritik unterzogen. „Unsere Ambition ist die Professionalisierung der Autoren“, erklärt Klimkowsky. Es herrsche ein Arbeitsklima, denn meist „bitten die Lesenden vorher darum, dass die Zuhörer besonders auf bestimmte Aspekte achten.“

Ausgewogenes Programm

Drei Texte werden pro Abend auf der „Arbeitsbühne“ besprochen, für mehr reicht die Zeit nicht. Doch die Nachfrage ist hoch. „Manchmal haben wir sieben oder acht Autoren hier, die gerne lesen möchten“, erzählt Klimkowsky. An diesem Juli-Abend gehen fünf Anmeldungen bei der ersten Vorsitzenden ein. Es gilt nun, auszuwählen und ein möglichst ausgewogenes Programm zu erstellen.

20 Uhr. Rainer Willert eröffnet den literarischen Abend mit einem Auszug aus seinem Essay „Erzählen statt zählen“. Darin führt der Rentner die Bemühungen eines Missionars an, das südamerikanische Volk der Guaraní zum numerischen Zählen zu bewegen. Doch die Indigenen denken lieber in räumlichen Dimensionen. „Kulturen, die zählen, vernachlässigen das Erzählen“, schlussfolgert Willert schließlich. Rolf Kanzen stellt indes lieber seinen Romanauszug zur Diskussion. Über mehr als 500 Jahre, von 1489 bis heute, erstreckt sich darin die Geschichte einer heiligen Reliquie, die verschiedene Parteien in ihren Besitz bringen wollen. Auf den historischen Krimi folgt schließlich eine „Beziehungskiste“, wie Autor Kristof Matthies sein Stück Kurzprosa ankündigt. Tatsächlich nimmt er die Zuhörer eher mit auf eine Reise durch die Welt der Astrophysik, die prosaisch Ausdruck in den Gefühlen eines Paars findet. „Mondkrater zwischen uns“, so empfinden es die Liebenden.

Nur Unveröffentlichtes

Zuhörer wie Mitglieder des Autorenforums schildern anschließend ihre Eindrücke. Dabei werden sowohl inhaltliche Unklarheiten als auch unglückliche Formulierungen und Logikfehler zur Sprache gebracht. Stumm macht sich der Autor währenddessen vorne Notizen. Das Konzept der Offenen Leseabende sei schließlich nicht, Lob und Applaus für perfekte Texte einzuheimsen. „Es ist äußerst frustrierend, wenn wir gemeinsam mühsam Kritik äußern, der Autor aber meint, er sehe keinen Anlass, seinen Text zu verändern“, sagt Slavica Klimkowsky. Vorgetragen wird daher nur Unveröffentlichtes, in das noch aktiv eingegriffen werden kann.

Raum für druckreife Texte ist woanders gegeben. Alle zwei Jahre ruft das Autorenforum einen literarischen Wettbewerb aus. Auch 2019 war es wieder soweit: Unter dem Motto „Makellose Männer“ gingen zahlreiche Einsendungen aus Berlin und Brandenburg bei dem Verein ein. „Aus den besten Geschichten stellen wir diesmal sogar ein Buch zusammen“, erzählt Klimkowsky. Prämiert werden die Gewinner bei einer Preisverleihung am 25. Oktober. Auf diesen Tag fällt auch das Gründungsdatum des Vereins vor 35 Jahren.

1984 hatten sich einige Literaten zusammengefunden und ihre Lesungen in den folgenden Jahren in Buchläden, Cafés und Weinkellern gegeben, bis man schließlich die Schwartzsche Ville für sich entdeckte. Ein langer Weg vom „Forum unbekannter Autoren“, wie sich die Gruppe zunächst nannte, bis zu einem gut organisierten Verein, der mit Felicitas Hoppe sogar eine Büchner-Preisträgerin zu seinen 30 Mitgliedern zählt. „Bei uns wurden so einige literarische Karrieren angestoßen“, weiß Slavica Klimkowsky zu berichten. „Viele heute erfolgreiche Autoren sind uns bis heute verbunden.“

Autor:

Julia Hubernagel aus Prenzlauer Berg

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