Tagebücher aus dem Holocaust
Filmprojekt und Stolpersteine zur Erinnerung an Gerda M. Meyer
Am 14. Oktober wurden in der Schönhauser Straße 16b drei Stolpersteine verlegt. Die Gedenksteine erinnern an die Angehörigen der Familie Meyer. Die Familie mit jüdischen Wurzeln lebte im Haus Nummer 16b in den Zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs.
Die Entrechtung, Diskriminierung und Verfolgung durch die Nationalsozialisten führte bereits 1933 dazu, dass die älteste Tochter Irmgard mit 28 Jahren in den Tod flüchtete. Die Eltern und der Sohn überlebten die Wirren des Holocausts in der Emigration in Südafrika. Ihre jüngste Tochter Gerda überlebte in Berlin. Freunde gewährten ihr Schutz und Beistand.
In der Zeit, als all ihre Verwandten nacheinander deportiert wurden, lernte Gerda M. Meyer Werner Rabinowicz kennen. Er war Jude und konnte durch günstige Umstände mehrfach der Deportation entgehen. 1943 sah er jedoch keine andere Möglichkeit mehr als die Flucht in den Tod. Werner Rabinowicz wurde 32 Jahre alt, er starb in den Armen seiner Verlobten Gerda M. Meyer.
Ihre Erinnerungen und weitere Ereignisse hat Gerda M. Meyer von 1929 bis 1948 in kleinen Taschenkalendern stichwortartig festgehalten. Regelmäßig notierte sie tagespolitische Gegebenheiten, Judenverfolgung, Diskriminierung, Deportationen und andere Folgen des Holocausts. Darüber hinaus dokumentierte sie ihre intensive Teilnahme am kulturellen Berliner Leben ebenso wie das alltägliche Leben in Steglitz. Gerda M. Meyers Großnichte Ulrike Cordier hat diese Tagebuchkalender geerbt, die Notizen abgeschrieben und digitalisiert. Entstanden ist ein facettenreiches Dokument über das Leben einer jungen Frau im Berlin der 1930er und 1940er Jahre. Ulrike Cordier hatte die Stolpersteinverlegung initiiert und war bei der Gedenkveranstaltung anwesend.
Aus Gerdas M. Meyers Notizen geht hervor, dass sie Anfang der 30er Jahre eine Ausbildung als Fürsorgerin, heute Sozialarbeiterin, an der Alice Salomon Hochschule in Berlin absolviert hat. Die Studierenden der Alice Salomon Hochschule haben sich mit Gerda M. Meyers Schicksal beschäftigt. Auf dieser Grundlage ist ein interdisziplinäres Theater- und Filmbildungsprojekt gestartet, das im Zeichen von Antisemitismusprävention steht und unter anderem vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frau und Jugend gefördert wird. Titel des Projekts ist ein Ausspruch von Gerda M. Meyer im hohen Alter von über 95 Jahren: „Ich leb‘ so gern“. Gedreht wird der Film an Orten in Steglitz, die Gerda M. Meyer in ihren Tagebuchaufzeichnungen erwähnt. Auch in der Schönhauser Straße 16b, während der Verlegung der Stolpersteine war ein Filmteam dabei. Das Projekt soll den Studierenden einen künstlerischen Zugang zu der Lebenssituation von Gerda M. Meyer als junge Frau in Berlin vermitteln. Darüber hinaus soll es sie inspirieren, Gerda M. Meyers Leben in Beziehung zu ihrem eigenen Leben heute zu setzen.
Studierende der Sozialen Arbeit erforschen bei diesem Projekt künstlerisch in Zusammenarbeit mit dem Historikerlabor Gerda Meyers bewegtes Leben. Der fertige Film wird an verschiedenen Orten in Berlin präsentiert. Anschließend an jede Filmvorführung ist eine Diskussionsveranstaltung geplant, zu der Persönlichkeiten aus dem öffentlichen Raum eingeladen werden. Kontakt zum Projekt per E-Mail an ich.leb.so.gern@gmail.com.
Autor:Karla Rabe aus Steglitz |
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