Selbst zum Kunstwerk werden
Graffiti-Kunst macht Boulevard Berlin zur Selfie-Kunst-Galerie
Sie nennen sich Olly Oxford, Alice Gruen, Taxi oder Snider und sind Graffiti-Künstler. Unter dem Titel „Hashtag Boulevard Berlin“ präsentieren sie großformatige und farbintensive Kunstwerke auf über mehreren hundert Metern Wandfläche.
Der Clou: alle Werke sind so konzeptioniert, dass die eigentliche Kunst erst entsteht, wenn der Betrachter sich zum Teil des Werkes macht – ganz einfach per Selfie. Auf fast allen der großen Wandgemälde gibt es eine Stelle, wo sich der Betrachter in das Bild integrieren kann.
Im Regenbild von „Tack“ kann man sich zum Beispiel unter einen Regenschirm stellen, um das Bild komplett zu machen. Vor dem Großstadt-dschungel von Ben Mansour wird man – richtig positioniert – zum Comic-Helden mit wehendem knallroten Umhang. Das Alice-im-Wunderland-Motiv von Alice Gruen lädt dazu ein, auf zwei Tafeln mit Kreide, seine eigene Wunderwelt darzustellen. Und wenn man sich vor der Kobra von „Taxi“ hinkniet, den Kopf leicht nach oben reckt und die Zunge herausstreckt, sieht es so aus, als ob sich die eigene Zunge mit der der Kobra verknotet. Das ist schon ziemlich schräg.
Die Kobra sei übrigens ein typisches Motiv des Künstlers und taucht auch immer wieder im Berliner Straßenbild auf. „Dann allerdings ist es nicht legal angebracht“, sagt Moritz Tonn. Er gehört zum Unternehmen „uglyduckling“, das das Kunstspektakel im Boulevard Berlin organisiert. „Wir wollen Kunsträume für zeitgenössische Kunst in und vor allem für Berlin schaffen“, sagt er. Uglyduckling hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Einzigartigkeit Berlins über Zwischennutzungskonzepte in die Nachbarschaft zu tragen und erlebbar zu machen.
Im Einkaufszentrum Boulevard Berlin hat „uglyduckling“ einen kunstbegeisterten Partner gefunden. „Unser Center hat schon an vielen Stellen mit Street-Artisten zusammengearbeitet“, sagt Centermanagerin Franziska Krause. In der obersten Etage läuft bereits eine Ausstellung bekannter Street-Art-Künstler.
Die passenden Flächen für die neue Selfie-Kunst-Galerie lieferte der Boulevard Berlin selbst. Das 2. Obergeschoss wird umgebaut und die Baustelle mit Staubschutzwänden unsichtbar gemacht. Sie wiederum wurden zu perfekten Leinwänden für urbane Kunst. Eine Woche lang sprayten und malten 13 Künstler im Boulevard – wegen des Farbgeruchs immer erst nach Ladenschluss, also nachts.
In der Regel sind es die Künstler ja gewöhnt, nachts zu arbeiten. Viele verewigen sich in der Stadt zum Teil illegal. Die Graffiti von „Snyder“ zum Beispiel würde einem oft an Steglitzer Wänden begegnen, sagt Tonn.
Die Selfie-Kunst-Galerie ist im 2. OG des Boulevard Berlin bis auf unbestimmte Zeit zu sehen. „So lange, wie die Bauarbeiten dauern“, sagt Franziska Krause.
Autor:Karla Rabe aus Steglitz |
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