Spuren des Kolonialismus
Schwartzsche Villa stellt privaten Nachlass des Wandervogels Karl Fischer aus
Briefe, persönliche Dokumente und mehr als 750 Fotografien gehören zum privaten Nachlass von Karl Fischer, einem Mitbegründer der Wandervogel-Bewegung. Ein Teil des Nachlasses ist derzeit in einer Ausstellung zu sehen.
Die Wandervogel-Bewegung verbreitete sich ab 1901 von Steglitz aus in ganz Deutschland. Sie stellte den Beginn einer Jugendbewegung dar, die auch für Reformpädagogik, Freikörperkultur und Lebensreformbewegung wichtige Impulse setzte. Karl Fischer (1881-1941) spielte als Mitbegründer eine wichtige Rolle. Nach seinem Tod gelangte sein persönlicher Nachlass in den Besitz des Karl-Fischer-Bundes. Hier wurden über Jahrzehnte sämtliche Materialien der Wandervogelbewegung und ihrer Mitglieder zusammengetragen. 1990 übereignete der Bund die Sammlung dem Bezirksamt.
Dass sich unter den Materialen von Fischer zahlreiche Dokumente und mehr als 450 Fotografien aus Ostasien befinden, war bislang weitgehend unbekannt. Erst im Zuge von Recherchen zum Thema Spuren des Kolonialismus in Steglitz-Zehlendorf rückte das in den Fokus. Anhand des Nachlasses zeichnet die Ausstellung in der Schwartzschen Villa die Spuren des Kolonialismus nach und macht ein Leben Fischers im Dienst der Kolonialpolitik des Deutschen Reiches sichtbar.
Karl Fischer meldete sich 1906 zum Militärdienst beim III. Seebataillon in Qingdao (Tsingtau) und blieb in China. Zunächst arbeitete er als kaufmännischer Angestellter bei der Schantung-Bergbau-Gesellschaft. Danach war er von 1910 bis 1914 als Zeitungsredakteur in Schanghai in die Kulturpolitik der deutschen Kolonialmacht eingebunden, ehe er 1914 in japanische Kriegsgefangenschaft geriet.
Die Ausstellung rekonstruiert die Stationen von Fischer in Ostasien. Seine Perspektive auf der Grundlage seines Nachlasses wird der postkolonialen Sicht auf den deutschen Kolonialismus in China gegenüber gestellt. Zudem informiert die Ausstellung über historische und aktuelle Spuren des Kolonialismus im heutigen Steglitz-Zehlendorf. Auch in den bis 1920 eigenständigen Gemeinden Steglitz, Zehlendorf und Groß-Lichterfelde manifestierte sich der deutsche Kolonialismus auf vielfältige Weise. Beispielhaft stellt die Ausstellung Spuren aus den Bereichen Mission, Wissenschaft, Wirtschaft, Militär und Vereinswesen vor und will zu einer Diskussion über die aktuelle Erinnerungspolitik im Bezirk anregen.
Die Ausstellung wird von einem vielfältigen Rahmenprogramm mit Führungen durch die Ausstellung, kolonialhistorischen Stadtspaziergängen durch Lichterfelde und Abendvorträgen begleitet. Die nächste Führung durch die Ausstellung findet am 11. Januar statt. Einen Überblick über alle Veranstaltungen gibt es auf pretix.eu/Fachbereich-Kultur-Steglitz/.
„Spuren des Kolonialismus – Der private Nachlass des Wandervogels Karl Fischer“, Schwartzsche Villa, Grundwaldstraße 55, Montag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr, https://bwurl.de/17hs, Eintritt ist frei. Es gilt die 2G-Regel plus Maskenpflicht.
Autor:Karla Rabe aus Steglitz |
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