Stadtbad Steglitz schließt Silvester als Kulturstandort
Neugebauer führt die Gäste am Premierenabend in den Blauen Raum im Hauptgebäude. Die Treppe hinauf, durch die Tür mit der Aufschrift "Fitnessraum", direkt gegenüber der Schwimmhalle. Der Raum ist spärlich bestückt: drei Tische, ein Klavier und ein Koffer. Auf dem Vorhang im Hintergrund ist der Name des Stücks mit Bierdeckeln aufgeklebt. Indien.
Indien ist eine der erfolgreichsten Tragikomödien Österreichs, die aus der Feder der beiden Autoren und Kabarettisten Josef Hader und Alfred Dorfer stammt. Die Protagonisten Heinz Bösel und Kurt Fellner können unterschiedlicher nicht sein. Der etwas biedere Fellner, urkomisch mit schönstem Wiener Schmäh von Peter Johan gespielt, quasselt pausenlos und protzt mit seinem Wissen. Bösel, ebenfalls großartig: Tom Baldauf, hingegen widmet sich hauptsächlich Wiener Schnitzel und Bier. Die beiden machen als Restaurant-Tester den Wirten das Leben schwer. Klar, dass sich die unterschiedlichen Charaktere in ihrer erzwungenen Zweisamkeit bald ziemlich auf die Nerven gehen. Während Bösel sich über seinen überkorrekten Kollegen lustig macht, zahlt der es ihm mit Fragen aus dem Spiel "Trivial Pursuit" heim und stellt den kleinbürgerlichen und proletenhaften Bösel als "depperten ignoranten Arschgeiger" bloß. Bis eines Abends die Sticheleien zum handfesten Streit eskalieren. Später schüttet Bösel im Bierrausch seinem Kollegen sein Herz über seine gescheiterte Ehe aus. Als Fellner am nächsten Tag feststellt, dass auch seine Freundin ihn betrügt, betrinkt sich auch er.
Die beiden Männer kommen sich näher und zwischen den Leidensgefährten entwickelt sich eine innige Freundschaft. Fellner begeistert Bösel für die indische Musik und erklärt ihm die Wiedergeburt.
Nach der Pause geht es weniger derb witzig und politisch unkorrekt zu. Fellner wurde in ein Krankenhaus eingeliefert und erhält die Diagnose "Krebs". Zwei Wochen bleiben ihm noch. Sein "Todesurteil" quittiert er wie immer lächelnd mit "Super, da hat man Gewissheit." In seinen letzten Stunden ist sein Freund Bösel immer an seiner Seite und erfüllt ihm seine letzten Wünsche. Die kammertheatralische Groteske endet anrührend und traurig.
Für Regisseur Stefan Neugebauer endet mit dieser Inszenierung seine achtjährige Tätigkeit als künstlerischer Leiter im Stadtbad Steglitz. Er wird als Intendant das Theater Naumburg leiten. Mit seinem Abgang schließt auch das Stadtbad als Bühne. Einen Nachfolger für Neugebauer gibt es nicht. Am 31. Dezember fällt somit wohl in der Bergstraße der letzte Vorhang und für Neugebauer heißt es Abschied nehmen.
Autor:Karla Rabe aus Steglitz |
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