„Wir profitieren von Synergieeffekten“
Im Goerzwerk erhalten Menschen mit Behinderung eine neue Chance
Das Goerzwerk mit seinen historischen Lofts ist zu einem Ort moderner Arbeitswelten mit Handwerksbetrieben, Start-Ups und kreativ produzierendem Gewerbe geworden. Auch die Berliner Werkstätten für Menschen mit Behinderung (BWB) haben hier einen ihrer sieben Standorte.
Bereits seit 30 Jahren betreibt die BWB-Südwest im 4. Obergeschoss des Gewerbekomplexes aus der Gründerzeit eine Werkstatt für Menschen mit Behinderung. Sie wurde im vergangenen Jahr komplett umgebaut und modernisiert. Zudem wurde das Erdgeschoss hinzugemietet und konnte nach umfangreichen Umbauarbeiten in diesem Frühjahr bezogen werden. Insgesamt hat die BWB-Südwest nun über 3000 Quadratmeter Fläche im Goerzwerk angemietet.
„Wir profitieren an diesem Ort von den hier ansässigen Unternehmen. Es ergeben sich Synergieeffekte“, sagt Wilfried Focke, Betriebsleiter am Standort Goerzwerk. Zum Beispiel arbeiten die Werkstätten eng mit der Moosmanufaktur Freund zusammen, die ebenfalls im Goerzwerk ihre Produktionsstätte hat. Durch die Nähe zur Firma hätte sich eine Kooperation ergeben. Die Arbeitsplätze in der Moosproduktion seien sehr beliebt, sagt Karina Decker. Sie betreut als Gruppenleiterin die Abteilung. Es macht den Mitarbeitern Spaß, dekorative Dinge herzustellen, die auch für den internationalen Markt bestimmt sind.
Durch die neuen Räume im Erdgeschoss wird vor allem Menschen mit eingeschränkter Mobilität die Arbeit erleichtert. Die Etage ist barrierefrei bis hin zu den Sanitäranlagen. Die Werkstattfläche im Erdgeschoss ist fast 1500 Quadratmeter groß. Von den insgesamt rund 220 Mitarbeitern arbeitet hier unten fast die Hälfte. Von der 4. Etage ins Erdgeschoss ist auch die Abteilung Buch-Meister gezogen. „Hier werden Bücherspenden auf ihren Zustand geprüft und bewertet. Entweder sie kommen zum Altpapier oder wir verkaufen sie bei Amazon“, erklärt Focke. Auch das sei eine sehr schöne Tätigkeit für behinderte Menschen, da sie das weitgehend eigenständig machen können. Derzeit hat die Abteilung rund 8000 Bücher im Bestand. Ziel sind 25 000 Bücher. „Wir freuen uns riesig über Spenden und hoffen das es immer mehr werden“, erklärt Focke. Die Einnahmen kommen den Werkstätten zugute.
Im Goerzwerk sind auch die Werkstätten-Bereiche Garten- und Landschaftsbau, Lager und Logistik und die Montageabteilung Münzprüfer ansässig. Bei Letzterem werden die Einwurfschlitze für Geldautomaten geprüft. Als neues Berufsfeld ist die Hauswirtschaft hinzugekommen. Neben einer Lehrküche im 4. OG gibt es jetzt noch eine Kochküche mit Gastronomiebereich und Kaffeebar im Erdgeschoss. Rund 200 Essen werden vorwiegend für den Eigenbedarf gekocht. Die Gastronomie steht aber auch anderen Firmen im Goerzwerk und Nachbarn offen.
Aus allen Umsätzen, die in der Werkstatt gemacht werden, wird der Lohn für die Beschäftigten bezahlt. „Wir sind gesetzlich dazu verpflichtet, mindestens 70 Prozent der Erlöse auszuzahlen“, betont BWB-Geschäftsführer Dirk Gerstle.
Bei der Auftragslage und der Konkurrenz ist das nicht immer einfach. „Es gibt kaum noch langfristige Verträge, die uns Aufträge über einen längeren Zeitraum sichern“, bedauert Gerstle. Das hängt damit zusammen, dass immer mehr Unternehmen aus Berlin abwandern.
Bei den Maßnahmen handele es sich aber nicht um eine Erwerbstätigkeit. „Es ist eine Reha-Maßnahme“, betont Wilfried Focke. Viele der Maßnahme-Teilnehmer sind Menschen mit psychischen Erkrankungen oder mit erworbenen Hirnschäden. Sie werden über Reha-Träger an die Werkstätten vermittelt, wenn sie nicht mehr in den ersten Arbeitsmarkt zurück können. „Unser Ziel ist es aber, sie so beruflich zu fördern, dass sie wieder in den ersten Arbeitsmarkt eingegliedert werden können“, sagt Focke. Von 1300 Mitarbeitern an allen sieben Standorten schaffen das im Jahr zehn Personen. „Das ist eine stolze Zahl, wenn man die Schicksale dahinter sieht.“ BWB-Geschäftsführer Dirk Gerstle und Betriebsleiter Wilfried Focke.
Autor:Karla Rabe aus Steglitz |
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