„Verbrechen an der Natur“
Naturschutzbund kritisiert Routenführung der geplanten Radschnellverbindungen durch Grünanlagen
Der Berliner Naturschutzbund (Nabu) wehrt sich gegen die Senatspläne, asphaltierte Radschnellverbindungen (RSV) auch durch Parks und Grünanlagen zu führen.
Nach monatelangen Streckenuntersuchungen und Diskussionen mit Fachplanern und Bürgern über Routenvarianten hat die Senatsverkehrsverwaltung jetzt die Vorzugstrassen für drei von insgesamt zehn geplanten Radschnellverbindungen (elf mit der Tangentialen Verbindung Ost) vorgestellt. Die Machbarkeitsstudien für die Teltowkanalroute durch Steglitz (RSV 6), die Y-Trasse durch Neukölln (RSV 1) und den Königsweg-Kronprinzessinnenweg (RSV 3) sind veröffentlicht und Grundlage vertiefender Planungen. „Änderungen der Trassen sind noch bis zum Planfeststellungsbeschluss möglich“, heißt es in der Erklärung.
Denn die jetzt favorisierten Routen für die Radschnellpisten bergen jede Menge Sprengstoff. Die Befürchtung des Nabu, dass Trassen auch durch Parks geführt werden könnten, hat sich bestätigt. Wie aus den drei Studienberichten hervorgeht, verläuft die Vorzugstrasse der RSV 3 durch den Friedenthalpark, die der RSV 6 durch den Hans-Baluschek-Park und die der RSV 1 unter anderem am Delfter Ufer entlang. Beim Hans-Baluschek-Park zum Beispiel, hätten alternative Routen schlechter abgeschnitten, heißt es in der Studie. Die Verkehrsplaner gehen laut Gutachten auch davon aus, „dass Radfahrende trotz Einrichtung einer Radschnellverbindung auf einer der alternativen Routen die direkte Verbindung durch den Hans-Baluschek-Park bevorzugen würden“. Der Senat betont in seiner Erklärung zu den drei Vorzugstrassen, dass auch andere Varianten durch Grün- und Parkanlagen planerisch verworfen wurden. So soll es nun doch keine Radschnellverbindungen durch den Görlitzer Park und die Hasenheide geben.
Der Nabu geht gegen die vorgestellten Fahrradschnellstraßen durch Parks auf die Barrikaden. Für Nabu-Chef Rainer Altenkamp sind sie „ein ökologisches Desaster und ein Verbrechen an der Berliner Natur“. Die Parks werden durch die Pisten zerschnitten und die Fläche verkleinert. Beim Bau der Schnellstraßen würden Wurzeln beschädigt. Außerdem wären die Radpisten eine Gefahr für Kleintiere, so Altenkamp. Am meisten ärgert er sich aber, dass für die Fahrradstraßen Grünflächen versiegelt werden. „Der Bau von Radschnellstraßen durch Parks und Grünzüge ist ein Schlag ins Gesicht all derer, die sich seit Jahrzehnten für weniger Versiegelung gerade in Städten und für den Schutz städtischer Grünanlagen einsetzen“, so der Nabu-Chef.
Auch die Senatsverkehrsverwaltung spricht von „möglichen Zielkonflikten zum Beispiel mit zu Fuß gehenden Parknutzenden oder im Rahmen von Naturschutzaspekten“. Merkwürdig: Trotz monatelanger Planungen hat Jan Thomsen, Sprecher von Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne), wenige Stunden vor der Veröffentlichung der drei Vorzugstrassen, die alle Abschnitte durch Grünanlagen haben, auf Nachfrage der Berliner Woche noch beschwichtigt: „Richtig ist, dass in den Machbarkeitsstudien nicht von vornherein ausgeschlossen wurde, dass Radschnellwege in einzelnen Abschnitten auch durch Grünanlagen führen können. Zugleich steht aber auch nicht fest, dass es überhaupt Streckenabschnitte in Grünanlagen geben wird.“
Die exakten Vorzugstrassen und Machbarkeitsstudien für alle weiteren sieben RSV sollen noch in diesem Jahr veröffentlicht werden. Insgesamt plant die landeseigene Firma Infravelo mindestens 100 Kilometer RSV. Die ersten werden frühestens ab 2022 gebaut. Die Pisten sind mindestens vier Meter breit, nachts gut beleuchtet und mit hochwertigem Belag gebaut. Die Trassen verlaufen strahlenförmig von den Außenbezirken ins Zentrum. Ziel nach dem Berliner Mobilitätsgesetz ist es, mit attraktiven Strecken die Leute zum Umsteigen aufs Rad zu bewegen. Auch Pendler sollen für längere Strecken das Auto stehen lassen. An Kreuzungen gilt bei den Radschnellverbindungen im Regelfall Vorrang für den Radverkehr. Die Infravelo GmbH plant auch Fahrradstellplätze an Bahnstationen. An Standorten, an denen nach Analysen bis 2030 zwischen 500 und 1000 Fahrradstellplätze benötigt werden wie zum Beispiel am Alexanderplatz, sollen Fahrradparkhäuser die Lösung sein.
Alle Infos dazu und zu den Radschnellverbindungen auf www.infravelo.de.
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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