NachhaltICH: Von der Schwierigkeit, Verpackungsmüll zu trennen
Verunsicherter „Weltmeister“
Wochenende. Eigentlich Zeit für Entspannung. Allerdings muss ein wenig im Haushalt gemacht werden. Zum Beispiel muss der Müll raus. Ein bisschen Pappe und der „gelbe Sack“.
Auf dem Müllplatz schwirrt und summt es, besonders um die Bio-Mülltonne herum. Dazu kommt ein wirklich unangenehmer Geruch. Ich möchte mich hier ungern länger aufhalten. Zack, die Pappe ist in der blauen Tonne versenkt. Nun noch der „gelbe Sack“. Doch plötzlich – „ratsch“ – eine Metallstange ragt aus der gelben Tonne heraus, ich bleibe mit dem Sack daran hängen und er reißt auf. Ein guter Teil des Inhalts fällt zu Boden. Eine Brottüte wird vom leichten Wind beinahe unter eine andere Tonne geweht. Ich sammle sie und den restlichen Müll ein.
In diesen Dingen sind wir Deutschen sehr akribisch. „Weltmeister“ sollen wir bei der Mülltrennung sein. Einige hätten diese „Disziplin“ gar zur Religion erhoben, heißt es. Daher war ich irritiert, als ich kürzlich las, dass die Bereitschaft, Müll zu trennen rückläufig sei. Die Entsorger machen das an der sogenannten Fehlwurfquote fest. Also dem Anteil an Müll, der in der falschen Tonne gelandet ist. Die Quote ist angestiegen, besonders bei Verpackungsmüll, der zum großen Teil aus Plastik besteht. Der Bundesverband für Sekundärrohstoffe und Entsorgung spricht von 40 bis 60 Prozent. Bei anderen Müllsorten wie Pappe oder Glas sind es dagegen nur ein bis zehn Prozent. Die Konsequenzen sind verheerend, denn sehr viel Plastik landet letztlich in Gewässern, wird von Tieren aufgenommen und kommt so wieder zurück in die Nahrungskette.
Ein großer Teil unseres Mülls wird verschifft
In Deutschland bekommen wir das noch nicht so deutlich zu spüren. Zu unser aller Glück sind es in der Hauptsache nämlich nicht die Nord- oder die Ostsee, die massiv von der Plastikmüllproblematik betroffen sind. Es betrifft eher Länder in Südostasien. Das hängt damit zusammen, dass dort selten vergleichbar gute Müllentsorgungs- und Recyclingsysteme existieren wie bei uns. Es liegt aber auch daran, dass viele westliche Staaten ihren Müll in diese Länder exportieren. Auch Deutschland. Denn, das gehört zur Wahrheit dazu, wir produzieren europaweit absolut den meisten Verpackungsmüll. Und allein von den Plastikabfällen exportiert Deutschland rund eine Million Tonnen jährlich ins Ausland. Das entspricht nach Angaben des NABU einem Sechstel unseres gesamten Plastikmülls. Es ist also absurd, auf asiatische Staaten mit dem Finger zu zeigen und ihnen vorzuwerfen, sie wären allein schuld am Plastik, das in den Ozeanen schwimmt. Wir sind daran nicht unbeteiligt. Aus diesem Grund sollten wir uns Gedanken um unseren Müll machen. Aber nicht nur deshalb.
Erste Länder schränken die Praxis des Müllankaufs ein. China etwa nahm bis vor kurzem rund ein Drittel deutschen Plastikmülls auf. Nach Gesetzesänderungen in der Volksrepublik ist es aktuell nur noch ein Prozent.
Dazu kommt eine fundamentale Änderung in Deutschland: Seit 1. Januar 2019 gilt ein neues Verpackungsgesetz. Die von der Bundesregierung vorgegebenen Recyclingquoten für Müll wurden angehoben. Besonders drastisch bei den Kunststoffen, also Plastik. Von 36 ging es rauf auf 58,5 Prozent; ab 2022 sollen es 63 sein. Und das ist durchaus sinnvoll. Denn der Trend ging in den letzten Jahren klar zu kurzlebigen Einwegverpackungen. Und dies lag auch daran, dass das Verbrennen von Müll deutlich günstiger ist, als das recyceln.
Gut, aber was habe ich als Verbraucher damit zu tun? Ich erfülle doch meinen Teil, indem ich versuche, möglichst gut meinen Müll zu trennen. Und wenn doch mal etwas in der falschen Tonne landet, ist das nicht schlimm, bei der Gesamtmenge an Müll, die jedes Jahr produziert wird. Oder?
Am Ende trifft es doch wieder den Verbraucher
Doch, aber der Reihe nach. Zunächst ist die Recyclingquote maßgeblich für die Dualen Systeme wie den Grünen Punkt. Sie müssen dem Staat nachweisen, dass sie diese erfüllen. Der Aufwand hierfür steigt aufgrund der höheren Quoten künftig an. Erzeuger, die es schwer oder unmöglich machen, die Quoten zu erfüllen, werden von den Dualen Systemen künftig stärker zur Kasse gebeten. Das heißt, Verpackungen, die besonders schwer zu recyceln sind, werden also mit höheren Gebühren belegt. Und am Ende dieser Kette kommen eben doch wieder wir Verbraucher ins Spiel, denn: Die Erzeuger von Produkten und deren Verpackungen kalkulieren die Recyclingkosten in den Kaufpreis bereits ein. Das heißt, steigen die Gebühren fürs Verwerten der Verpackungen, steigt konsequenterweise auch der Kaufpreis eines Produkts.
Aber warum muss das so sein? Ich bin doch willens zu recyceln, halte den Rohstofferhalt für sehr sinnvoll. Ich habe im Haushalt mehrere Eimer, um alles bereits in der Küche brav zu trennen. Sprich: Ich übernehme gern Verantwortung. Daher finde ich mögliche höhere Kosten nicht ganz fair.
Zurück zum Müllplatz. Ich halte besagtes Brotpapier in Händen, der Name ist aber irreführend, besteht es doch zum Teil aus Papier, zum Teil aus Folie. Also ein Stück Abfall, das nicht sortenrein ist. Was also tue ich, damit es nicht einfach verbrannt wird? Außerdem halte ich noch eine kaugummirosafarbene Packung Duschbad in der Hand. Daran fällt mir auf, Leerkörper und Deckel bestehen aus unterschiedlichem Plastik. Dazu kommt, dass die Packung zusätzlich mit einer bedruckten Folie umhüllt ist. Hier habe ich also offenbar gleich drei Stoffe in einem Produkt. Das dürfte den Trennvorgang erheblich erschweren. Ich werfe beides in die Tonne und will den Deckel schließen, da fällt mein Blick auf einen Joghurtbecher, an dem noch der Aludeckel klebt. Darin liegt zusammengeknüllt die Verpackung einer Schokoladentafel. Ist deren innere Verpackung nicht auch aus Alu, so wie der Deckel des Joghurtbechers? Kann die so zusammengeknüllt denn von der äußeren Verpackung getrennt werden? Auch das dürfte alles nicht ganz leicht werden.
Warum so kompliziert?
Ich stelle mir die Frage, ob es tatsächlich notwendig ist, Produkte teils derart kompliziert zu verpacken? Kann nicht eine Verpackung, auch wenn sie aus unterschiedlichen Elementen besteht, aus dem gleichen Material gefertigt werden? Muss es immer wieder mehrere Plastiken, Extrafolien oder kunterbunte Mischpackungen aus Papier, Pappe, Alu und unterschiedlichem Plastik geben? Müssen auf vielen Verpackungen noch Sticker angebracht werden? Wenn Erzeuger daran etwas ändern, erleichtern sie mir die Mülltrennung, sie sparen Gebühren bei den Dualen Systemen und sorgen dafür, dass mehr Müll auch dem Wertstoffkreislauf zugeführt und nicht einfach verbrannt wird. Dreifach sinnvoll also.
Zudem wäre es gut, die Verbraucher gerade bei Verpackungsmüll besser zu informieren. Was gehört in die gelbe Tonne, was nicht? Sollte ich den Aludeckel vom Joghurtbecher entfernen? Sollte ich beide Umhüllungen der Schokolade besser nicht zusammenknüllen? Ist es sinnvoll, beim Briefumschlag mit Fenster Letzteres herauszutrennen und es in den Restmüll oder die gelbe Tonne zu werfen, den Briefumschlag aber ins Altpapier? Schön wäre auch, wenn die Verpackungsmaterialien besser sichtbar wären, Sie wissen schon, diese ganzen Ps – PET, PP, PE und so weiter. Dann wüsste ich nämlich, ob der Sprühkopf meines Glasreinigers aus einem anderen Material besteht als der Leerkörper und ob ich beides besser voneinander trenne. Denn, wie eingangs erwähnt, viele Verbraucher sind ja gewillt, ihren Müll zu trennen, ihnen fehlen einfach oft Informationen. Und von mir aus darf Mülltrennung gern ein wenig Zeit in Anspruch nehmen, eine Wissenschaft sollte sie aber nicht sein. Und wenn ich den Müll schon trenne, möchte ich nicht, dass er am Ende dennoch verbrannt wird.
Ich habe eine Wahl
Den Erzeugern den schwarzen Peter zuzuschieben, ist allerdings auch nicht in Ordnung. Ich kann auch etwas tun. Denn nicht alle Produkte sind gleichermaßen kompliziert verpackt. Im Supermarkt habe ich durchaus eine Wahl. Es muss ja nicht immer das knalligste Produkt sein, wenn es aus zu vielen Verpackungsstoffen besteht. Wurstliebhaber finden ihre Produkte dort teils in Gläsern, nicht nur in Kunststoffen. Mal ganz zu schweigen von Getränken, bei denen leider seit Jahren der Anteil an Glasflaschen sinkt. Für mein Brot kann ich eine reine Papiertüte von zu Hause mitbringen, die wiegt ja nichts. Und bei manchem muss ich vor allem meine Bequemlichkeit überwinden. Ich kann natürlich einfach den Plastikbehälter mit geschältem und geschnittenem Obst kaufen, genauso kann ich aber auch zu unverpackten Bananen, Orangen oder Erdbeeren greifen. Dann spare ich mir die Verpackung ganz. Und dann muss ich nicht an einem Sonnabend lange auf dem Müllplatz im eigenen Hinterhof zubringen.
Der Text ist einer von mehreren Beiträgen, in denen sich Berliner-Woche-Redakteure ganz persönlich mit dem Thema Nachhaltigkeit, dem Jahresthema des Bundesverbandes Deutscher Anzeigenblätter, auseinandersetzen – eben nachhaltICH.
Autor:Alexander Schultze aus Spandau |
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