Passt der Deckel?
Beim Mietendeckel ist noch manches nicht geklärt
Wer bis zum 18. Juni keine Mieterhöhung bekommen hat, muss auch in den kommenden fünf Jahren kein erhöhtes Wohnungsendgeld mehr befürchten. Zumindest theoretisch.
Das ist das Ziel des Berliner Mietendeckels, den der Senat auf den Weg bringen will. Damit sollen Bewohner vor weiteren Mietsteigerungen erst einmal geschützt und finanziell entlastet werden. Und damit auch Druck aus dem Immobilienspekulationskessel genommen werden. Nutznießer wären etwa 1,5 Millionen der insgesamt rund 1,9 Millionen Haushalte in der Stadt. Ebenfalls theoretisch.
Die Einschränkungen beziehen sich auf Einwände, die seit Bekanntwerden dieses Vorhabens vorgebracht werden. Dass die Wohnungswirtschaft dagegen Sturm läuft, war nicht anders zu erwarten. Von deren Interessenvertretung "Haus und Grund" kam die Aufforderung an die Vermieter, in der knappen noch verbliebenen Frist noch einmal die Chance für mehr Miete zu nutzen.
Wobei es zu einfach wäre, "Haus und Grund" allein oder sogar primär als Lobbyverein Rendite getriebener Immobilienmultis zu sehen. Zu deren Mitglieder gehören neben vielen privaten Besitzern mit nur wenig Objekten auch die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften. Und die reagierten
ebenfalls wenig begeistert auf den Vorstoß.
Sorge um Genossenschaften
Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Die kommunalen Wohnungsversorger sollen beim Neubau für einen hohen Anteil an preisgünstigen Angeboten sorgen, bereit stehen, wenn die Karte Vorkaufsrecht gezogen wird, dazu Sanierungen im Bestand sicherstellen. Und das jetzt fünf Jahre, ohne dafür weitere Mehreinnahmen zu generieren.
Apropos Vorkaufsrecht: Diesem Instrument eines staatlichen Eingriffs bei Immobilienveräußerungen verhalf der Friedrichshain-Kreuzberger Baustadtrat Florian Schmidt (Bündnis90/Grüne) zum Durchbruch in Berlin. Beim Thema Mietendeckel ist er aber nicht gerade von überbordender Euphorie geleitet. Gegen weiteren Mieterschutz hat der Stadtrat nichts. Gleichzeitig "kann es nur nicht sein, dass solche Modelle, wie etwa eine Genossenschaft dann nicht mehr möglich werden."
Florian Schmidt machte diese Aussage am 13. Juni im Rahmen einer Veranstaltung, bei der die Dachgenossenschaft "Diese e.G." ihr Geschäftsmodell vorstellte. Das besteht darin, dass "Diese" beim Vorkaufsrecht einsteigt, wenn etwa die landeseigenen Gesellschaften der aufgerufene Kaufpreis zu teuer ist. Ein Konstrukt, das trotz versprochener Senatszuschüsse deshalb eine Menge weiteres Geld benötigt. Zum einen durch genügend Genossen, die sich beteiligen. Zum anderen sind aber auch Erhöhungen des Wohnungssalärs eingepreist. Im Gegenzug gibt es Bestandssicherheit für die Bewohner. Mit dem Mietendeckel ergeben sich zumindest einige Fragezeichen, ob das so funktioniert.
Ebenso wie für manche Hausgemeinschaften, die ihr Objekt bisher im Zusammenschluss gesichert haben. 3,4 Millionen hätten sie für den Kauf ihrer Wohnimmobilie bezahlt, erzählte eine Frau aus Kreuzberg. Unter den neuen Gegebenheiten wäre das wahrscheinlich nicht mehr zu bewerkstelligen.
Lösbare Begleiterscheinungen
Argumente, die anscheinend vor allem bei den Grünen auf fruchtbaren Boden fallen. Manches müsse da noch geklärt werden, meinte deren Kreuzberger Abgeordnete Katrin Schmidberger. Das sei jetzt auch die Aufgabe des Parlaments.
Im Gespräch ist eine sogenannte Härtefallregelung. Will heißen, gerade bei Genossenschaften, die nachweisen können, dass ihre Investition ohne zusätzliche Einnahmen zum Scheitern verurteilt ist, könnte es Ausnahmen geben. Wobei es einigermaßen schwierig wird, eine Grenze zu ziehen. Ebenfalls in der Debatte ist ein höherer öffentlicher Zuschuss oder Bürgschaften bei Krediten. Es gebe einige Möglichkeiten, manchen Problemen gerecht zu werden. Das ist die Haltung der Linkspartei und auch der SPD. Dort werden solche Unwägbarkeiten eher als lösbare Begleiterscheinungen gesehen und vor allem, wie bei der Abgeordneten Gaby Gottwald (Linke), der avisierte große Wurf herausgestellt. Bereits jetzt entfalte der Mietendeckel Wirkung, was schon an der Reaktion der Immobilienbranche deutlich werde. Auch andere Bundesländer beobachteten das Vorgehen zwecks möglicher Nachahmung. "Wir sollten uns deshalb nicht auseinander dividieren lassen", lautete ihr Appell.
Ähnlich sieht das die Friedrichshain-Kreuzberger SPD-Bundestagsabgeordnete Cansel Kiziltepe. Immer wieder sei ein starkes Zeichen gegen Mietsteigerungen und Verdrängung gefordert worden. Jetzt wo es da sei, gebe es Bedenken. "Mir fällt zumindest nichts anderes ein, was besser wirken würde", gerade im Vergleich zu anderen Instrumenten wie dem Vorkaufsrecht. So viele Häuser könnten gar nicht gekauft werden, wie jetzt auf einen Schlag mehr Sicherheit bekämen.
Einig sind sich alle, dass der Mietendeckel sitzen muss. Mehrfach wurde in den vergangenen Tagen das Bild von einem Topf gebraucht, der nicht überkochen darf, denn ansonsten fliegt der Deckel in die Luft. Ohnehin wird es noch genug Auseinandersetzungen geben. Wahrscheinlich auch vor Gericht. tf
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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