"Retten, was zu retten ist"
Was von "Mediaspree versenken" übrig blieb
Am 13. Juli 2008 war der Bürgerentscheid "Spreeufer für Alle" erfolgreich. Er forderte unter anderem einen durchgehenden öffentlichen Uferweg, mindestens 50 Meter Abstand von Neubauten zum Wasser und Hochhäuser begrenzt auf Berliner Traufhöhe. Genau zehn Jahre später zogen einige Aktivisten von der Initiative "Mediaspree versenken" eine ernüchternde Bilanz.
Wenig bis gar nichts sei von den damaligen Forderungen umgesetzt worden. Ein gravierendes Beispiel, wie Politik mit dem Bürgerwillen umgehe.
Auch wenn sich rund 87 Prozent aller an der Abstimmung Beteiligten für diese Vorgaben aussprachen, war bereits vor einer Dekade klar, dass sie sich kaum und schon gar nicht flächendeckend umsetzen lassen. Bebauungspläne aus den 1990er Jahren ermöglichten eine massive Nachverdichtung. Sie blieben auch die Grundlage für viele, seither erfolgte Bauvorhaben. Auch bei besonders umstrittenen, wie etwa dem Hochhaus "Living Levels" auf dem ehemaligen Mauerstreifen an der East Side Gallery oder dem daneben entstehenden Komplex "Pier 61/63".
Ein Aufheben des B-Plans würde Schadensersatzforderungen in mehrstelliger Millionenhöhe nach sich ziehen, argumentierte vor allem der Senat und zeigte sich deshalb wenig beweglich. Im Bezirk wurde danach ein "Sonderausschuss Spreeraum" eingerichtet, der aber ohne entsprechende Rückendeckung allenfalls einige kosmetische Korrekturen erreichen konnte.
Eine völlig verfehlte Stadtpolitik habe dort stattgefunden, regt sich deshalb Hans Cousto auf. Er ist einer von drei Mediaspree Versenkern, die aus Anlass des Jubiläums nicht zuletzt zum Rückblick ansetzen. Wertvolle Grundstücke seien zu Schleuderpreisen verhökert worden. "Berlin schafft sich ab". Und wenn es darum gehe, "Fluchtursachen zu bekämpfen", könne man da ja mal hier anfangen. Denn viele Leute seien auf der Flucht vor unbezahlbaren Mieten. Was aber schon lange zuvor deutlich geworden sei, fand Arno Paulus. Seit 25 Jahren warne nicht nur er vor diesen Auswüchsen. Die Forderung nach einem Uferweg wäre ebenso alt. Die Herren kamen in Rage und vor allem Hans Cousto stellte die Systemfrage. Die Demokratie müsse nicht am Hindukusch, sondern an der Spree verteidigt werden.
Johannes Riedners Part war es, den Furor etwas zu dämpfen. Auch er beklagte die Ergebnisse, aber "ich bin nicht ganz so pessimistisch." Immerhin gebe es inzwischen Ansätze einer Politik der Rekommunalisierung, gerade in Friedrichshain-Kreuzberg. Das zu unterstützen hält er für den besseren Weg, statt in grundsätzliche Gegnerschaft zu allen Entscheidungsträgern zu gehen. "Retten, was zu retten ist", gab Riedner als Maxime aus. Bei den Zapf-, Tengelmann-Grundstücken und nicht zuletzt beim Behala-Areal, alle an der Köpenicker Straße in Kreuzberg, könnten noch Forderungen vorgebracht werden. Etwa in Richtung eines großen Anteils an preisgedämpften Wohnungen. Das Teepeeland an der Spreeseite in Mitte, der Holzmarkt, das Radialsystem wären Beispiele für erkämpfte Freiräume kultureller oder soziokultureller Nutzung.
Yaam kommt nicht zur Ruhe
Auch das Yaam wurde dazu gezählt, trotz einiger Unwägbarkeiten. Der Club musste 2014 ebenfalls wegen Neubauten von seinem Platz vis-a-vis dem Ostbahnhof weichen und bekam danach ein neues Quartier an der Schillingbrücke. Dort laufe der Vertrag noch sechs Jahre, der Bezirk als Eigentümer sei aber bisher nicht bereit gewesen, ihn vorzeitig zu verlängern, sagt Martin Gräff vom Yaam-Vorstand. Dabei wären von einem langfristigen Kontrakt Lottomittel abhängig, die der Club für die Sanierung seiner Halle bekomme. Allerdings nur, wenn er eine Bestandsgarantie von 25 Jahren vorweisen kann.
Das Problem ist die marode Uferbefestigung entlang der Yaam-Fläche. Wer sie sanieren muss, darüber gab es lange Streit zwischen Senat und Bezirk sowie dem Wasser- und Schifffahrtsamt. Ein Gericht entschied vor Kurzem: Das ist Aufgabe des Landes Berlin, konkret von Friedrichshain-Kreuzberg. Geschätzte Investition: rund vier Millionen Euro.
"Wir wollen vom Wasser- und Schifffahrtsamt jetzt konkret wissen, wie groß der Schaden ist und in welchem Zeitraum er behoben werden muss", sagt Baustadtrat Florian Schmidt (Bündnis90/Grüne). Dann werde auch mit dem Yaam gesprochen. Dabei geht es zum Beispiel um die Frage eines zeitweiligen Auszugs, für dessen Kosten der Bezirk nicht in Regress genommen werden möchte. Außerdem werde geprüft, ob eine Instandsetzung, wie sie auch Martin Gräff erwähnte, möglich sei. Nämlich eine neue Spundwand vor die alte zu bauen und den Zwischenraum aufzufüllen und als Teil des Uferwegs zu nutzen.
Die Mediaspree-versenken-Kerntruppe bestehe inzwischen nur noch aus "ein bis zwei Handvoll" Aktivisten, wird eingeräumt. Auch Carsten Joost, einst das bekannteste Gesicht der Kampagne, ist schon seit einigen Jahren nicht mehr dabei. Ihr Engagement habe aber schon deshalb nachhaltig gewirkt, weil in der Folge viele Initiativen entstanden seien, zu denen auch Verbindungen bestünden, betonten die Veteranen. Und was ihnen bleibt: Sie haben vor zehn Jahren eine Volksabstimmung durchgesetzt und für ihre Anliegen damit die größtmögliche Legitimation erzielt. Selbst unabhängig davon, wie danach die Ergebnisse aussahen.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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