Wie geht BVV auf britisch?
Bezirkssprecherin Sara Lühmann und ihre Austausch-Erfahrungen

Sara Lühmann vor dem Hammersmith U-Bahnschild im Londoner Transport Museum. | Foto: Daniel Kreuscher
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Sara Lühmann ist Sprecherin des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg. Im Rahmen eines Austauschprogramms der Europäischen Union arbeitete sie bis Ende Oktober einen Monat in der Pressestelle des Londoner Bezirks Hammersmith & Fulham.

Wie sind Sie dort gelandet?

Sara Lühmann: Wer bei dem Programm mitmachen wollte, konnte sich in einem EU-Staat dafür bewerben. Fremdsprachenkenntnisse habe ich vor allem in Englisch. Schon deshalb sollte es Großbritannien sein. Außerdem habe ich ein Faible für das Land. Ich habe mich dann bei mehreren Londoner Bezirksverwaltungen beworben. Hammersmith-Fulham hat zugesagt.

Bezirksverwaltungen klingt nach einem ähnlichen Aufbau wie in Berlin...

Sara Lühmann: Ja und Nein. Der größte Unterschied lässt sich vielleicht so zusammen fassen: Die Bezirke dort können auf der Verwaltungsebene mehr entscheiden. Politische Auseinandersetzungen spielen dagegen eine geringere Rolle.

Wie zeigt sich das konkret?

Sara Lühmann: Hammersmith & Fulham hat rund 180 000 Einwohner. Also ungefähr 100 000 weniger als Friedrichshain-Kreuzberg. Die Zahl der Mitarbeiter im Bezirksamt beträgt aber ähnlich wie bei uns rund 2000. Die kümmern sich auch um Dinge, für die es in Berlin eigene Gesellschaften gibt oder die ausgelagert sind. Etwa die Müllentsorgung. Auch für seine rund 5000 kommunalen Wohnungen ist Hammersmith-Fulham direkt verantwortlich. Es gibt eigene Steuereinnahmen und die Verwaltung kann auch die Preise für ihre Parkraumzonen eigenständig festlegen.

Und wie läuft dort die Öffentlichkeitsarbeit?

Sara Lühmann: In der Pressestelle arbeiten zwölf Menschen. Wir sind zu zweit. Eine nur annähernd ähnliche Personalausstattung hätte ich natürlich auch gerne. Zwei Kolleginnen und Kollegen kümmern sich allein um den Webauftritt, weitere zwei pflegen das verwaltungsinterne Intranet. Da finden sich auch Hinweise wie aktuelle Sonderangebote in bestimmten Läden.

Öffentlichkeitsarbeit bedeutet dort vor allem Eigenwerbung für den Bezirk. Der erste Text, den ich verfassen sollte, handelte von einer Kunstmesse. Ich habe das, wie in Friedrichshain-Kreuzberg üblich, rein nachrichtlich vermeldet. Nett aber bestimmt wurde mir erklärt, es müsse viel mehr herausgehoben werden, wie toll diese Veranstaltung ist. Würde ich bei uns ähnlich schreiben, wäre das wahrscheinlich Anlass für manche Kommentare. Medien, die sich mit lokalen Themen beschäftigen, fehlen dort inzwischen fast vollständig. Die Verwaltung muss deshalb selbst für die Verbreitung sorgen. Das passiert dann aus eigener Sicht und ohne Korrektiv.

Sie deuteten an, im politischen Agieren gebe es ebenfalls Unterschiede...

Sara Lühmann: Vor allem, wenn ich das mit Friedrichshain-Kreuzberg vergleiche. Parallel zur BVV fand am 17. Oktober das Council Meeting, die Sitzung des Bezirksparlaments von Hammersmith & Fulham, statt. Es tritt nur fünf Mal im Jahr zusammen. Ich hatte also Glück, überhaupt eine Veranstaltung mitzubekommen. Die Tagesordnung war auch da ziemlich lang, aber 22 Uhr ist die absolute Deadline. Was bis dahin nicht abgehandelt wurde, wird vertragt. Beginn ist erst um 19 Uhr, eine Stunde später als bei uns.

Im Council sitzen nur zwei Parteien. 35 Mitglieder hat die Fraktion der Labour-Party, elf die der Konservativen. Die Zusammensetzung ist dem britischen Mehrheitswahlrecht geschuldet. Die Bürgermeisterin leitet die Sitzung. Ihr Aufgabenbereich ist ohnehin eher mit dem unserer BV-Vorsteherin zu vergleichen. Das öffentliche Interesse ist eher gering. Meinungsäußerungen aus dem Publikum sind weitgehend unbekannt und wenn, werden sie als Skandal empfunden. Am 17. Oktober zeigte ein Besucher die Europa-Fahne. Was vor allem die Konservativen schockierte. Sie forderten die Bürgermeisterin auf, sofort einzuschreiten. Die Fahne wurde schnell wieder eingerollt.

Die Episode deutet auf die Brexit-Auseinandersetzungen hin. Wie viel haben Sie davon mitbekommen?

Sara Lühmann: Dem kann sich niemand entziehen. Es ist völlig unklar, was nach dem avisierten Ausstiegsdatum am 29. März 2019 passiert. In Hammersmith & Fulham haben 70 Prozent für einen Verbleib gestimmt. Es leben dort etwa 40 000 Menschen aus EU-Staaten. Für deren Absicherung wolle der Bezirk auch weiter sorgen, wird betont. Er weiß aber bisher nicht, wie er das machen soll. Viele hoffen, dass sich noch eine Lösung findet und es nicht ganz so schlimm kommt.

Wie lautet insgesamt ihr Fazit?

Sara Lühmann: In manchen Bereichen sind uns die Briten um Jahre voraus. Das gilt vor allem für die Digitalisierung. Bezahlt wird fast nur noch mit Karte. Und in der Verwaltung ist etwa das, was wir als Online-Bürgeramt so langsam auf den Weg bringen, längst Standard. Hier können wir auf jeden Fall sehen, wie sich manches in Zukunft entwickelt.

Bei anderem möchte ich nicht unbedingt, dass es auch bei uns Einzug hält. Etwa die Videoüberwachung im öffentlichen Raum. Allein in Hammersmith & Fulham gibt es rund 1400 Kameras. Für die ist übrigens ebenfalls der Bezirk zuständig. Zwei Mitarbeiter sitzen rund um die Uhr im Zwei-Schicht-Betrieb vor den Bildschirmen. Entdecken Sie etwas Verdächtiges, informieren sie die Polizei. Ihr größter Erfolg: Ein Autoeinbrecher konnte auf frischer Tat ertappt werden.

Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

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