Organisierte Konfusion
Mode-Absolventinnen laden zur Abschluss-Show
Je länger der Fototermin dauert, umso mehr Spaß bekommen die Protagonistinnen. "Ja, Sandro, du schafft es", feuern sie den jungen Mann an der Nähmaschine an.
Sandro (25) ist der einzige männliche Vertreter neben einem Dutzend Frauen. Wegen der Mehrheitsverhältnisse wird in diesem Text deshalb durchgehend die weibliche Form verwendet. Dass die Zusammensetzung dieser Gruppe alle Quotenvorgaben konterkariert, ist kein Zufall. Denn bei ihr handelt es sich um die erste Abschlussklasse des Ausbildungsgangs Modedesign am Oberstufenzentrum (OSZ) Mode und Bekleidung in der Kochstraße. Noch immer ist die Fachrichtung Fashion vorwiegend eine Frauendomäne.
Die Ausbildung dauerte drei Jahre und wird in diesen Tagen beendet. Abschluss und Höhepunkt ist eine eigene Show, die die Absolventinnen auf die Beine gestellt haben. Sie findet am 13. Juni in der Turnhalle an der Holteistraße statt. Interessierte Besucher, auch von außerhalb des Schulbetriebs, sind ausdrücklich willkommen. Denn es sei ein Ziel, die eigenen Arbeiten auch einer breiteren Öffentlichkeit zu präsentieren, sagen Lena Meier (25) und Lena Kuhrt (19).
Die beiden übernahmen in den vergangenen Wochen neben Prüfungs- und Kollektionsstress auch noch die Aufgabe des PR-Teams. Schon damit waren sie vielen Schulen voraus. Denn oft passieren dort interessante Dinge, von denen aber kaum jemand erfährt.
Von Lena und Lena landete dagegen eine Mail bei der Berliner Woche. Sie würden gerne viele Menschen auf den für sie besonderen Event aufmerksam machen. "Und wir möchten nicht nur Mode zeigen, sondern auch eine Idee vermitteln, was Schule auch sein kann: Lernen fürs Leben". Das alles machte neugierig.
Wer auf angehende Vertreter dieser Branche trifft, erwartet zunächst eine Flut an Ideen, wie aus Rohmaterial besondere Kleidungsstücke werden können. Die beiden Frauen beschreiben ihre Ausbildung allerdings zunächst mit Begriffen aus dem Sekundärtugendbereich. Durchhaltevermögen sei wichtig, Organisation, Abgabefristen einhalten, überhaupt, den Stoff, hier im wahrsten Sinne des Wortes, zu beherrschen. Dass trotz oder gerade wegen solcher Eckpunkte aber ein weiter Raum für die eigene Kreativität bleibt, wird ebenfalls schnell deutlich.
Die einzelnen Beiträge für die Show seien jeweils individuell, erklärt das PR-Team. Außer ihrer Klasse wäre noch der Abschlussjahrgang der Assistentinnen für Mode und Design mit dabei. So liegt der Titel dann auch nahe, den sie dafür gewählt haben. Er lautet "Con/Fusion".
Welche Bandbreite darunter zu verstehen ist, zeigt sich bereits bei den einzelnen Themen. Lena Meier bezieht sich bei ihrer Kollektion auf die Performancekünstlerin Marina Abramovic. Lena Kuhrts Arbeiten orientieren sich an "Alice im Wunderland". "Inside Out" nennt Marion ihren Part beim Prêt-à-porter. Er stehe für ihren Werdegang in den vergangenen Jahren.
Marion ist mit 47 Jahren die Älteste. Sie hat ihren langjährigen Job für diese Ausbildung gekündigt. Noch einmal etwas anders machen, auf das sie schon lange Lust hatte, erkärt sie diesen Schritt. Aber auch ihre jüngeren Klassenkameradinnen haben teilweise schon interessante Stationen hinter sich. Lena Meier lebte eine Zeit lang in Australien, jobbte als Stylistin beim Fernsehen. Was der letzte Auslöser war, sich in dieser Richtung auch beruflich zu orientieren?
Sie hätten eine anständige Ausbildung bekommen, sagen die Absolventinnen. Auch viele engagierte Lehrer. "Frau Krause ist hier besonders zu nennen."
Welchen Stellenwert das alles habe, müsse sich jetzt zeigen, wenn sie auf dem Modemarkt in Konkurrenz zu Abgängerinnen mancher privater Schulen stehen. Sich in der Branche zunächst weiter entwickeln, einen Job vielleicht bei einem renommierten Label bekommen, sind für die meisten die nächsten Ziele. Sandro, der Mann an der Nähmaschine, möchte sich dagegen gleich selbständig machen.
Und eine wichtige Visitenkarte für die weitere Zukunft wird der 13. Juni. Nicht nur was die dort gezeigte Fashion betrifft, sondern auch als Übergang vom Lernen ins (Berufs-)Leben.
Die Fashion-Show in der Turnhalle beginnt um 19 Uhr. Der Eintritt kostet sieben Euro. Karten gibt es ab 6. Juni am Eingang der Schule in der Kochstraße 9, außerdem, wenn noch vorhanden, am 13. Juni an der Abendkasse.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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