Zille, Ostkreuz und eine Leichenverladestelle
Sven Heinemann schreibt Buch über den "Mythos Ringbahn" und sucht noch Fotos

Sven Heinemann fährt gern auf der Strecke ohne Ende. Nächstes Jahr wird die Ringbahn 150 Jahre alt. | Foto: Ulrike Kiefert
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  • Sven Heinemann fährt gern auf der Strecke ohne Ende. Nächstes Jahr wird die Ringbahn 150 Jahre alt.
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Die Berliner Ringbahn feiert im nächsten Jahr runden Geburtstag. Als Geschenk gibt’s neue Züge – und ein Buch von Sven Heinemann. Der Friedrichshainer fährt nämlich gern im Kreis.

Wenn Sven Heinemann morgens ins Abgeordnetenhaus muss, schwingt er sich nicht hinters Steuer. Er fährt lieber mit der Ringbahn. „Die fasziniert mich“, sagt der Friedrichshainer. „Sie verbindet ganz unterschiedliche Kieze und Architektur, von der Nachkriegsära bis zur Gründerzeit.“ Außerdem trifft Heinemann nur in der Ringbahn auf Berliner, die so typisch für die Hauptstadt sind. „Da hat man viel zu gucken.“

Die Ringbahn sieht Sven Heinemann aber auch sonst jeden Tag. Er wohnt am Ostkreuz, also dort, wo die S 41 im Uhrzeigersinn die Südringkurve nimmt. Die S 42 fährt gegen den Uhrzeigersinn. Sven Heinemann weiß viel über die Berliner Ringbahn. Er kommt zwar aus Baden-Baden, lebt aber schon 20 Jahre am Ostkreuz. Hauptberuflich ist er Politiker, sitzt für die Friedrichshainer SPD im Landesparlament und schreibt gerade an seinem xten Buch. Nach „Mythos Ostkreuz“ und anderen Mythen folgt jetzt, na logo, der „Mythos Ringbahn“. Nächstes Jahr soll der Hochglanz-Bildband erscheinen, pünktlich zum 150. Geburtstag der legendären Stadtbahn.

Anekdoten auf der Spur,
die keiner kennt

Nun ist Sven Heinemann nicht der Erste, der sich für die Ringbahn interessiert. Die Literatur über sie füllt locker ein Bücherregal. Der 41-Jährige sucht darum nach Bildmaterial, das noch nie veröffentlicht wurde. Auch Anekdoten ist er auf der Spur, die keiner kennt oder zumindest nur sehr wenige. Gut 6000 historische Fotos hat Heinemann schon zusammen, aus mehr als 70 Quellen, darunter das Landesmuseum, Landesarchiv, Stadtmuseum, Bezirksarchive, das Unternehmensarchiv der Schering AG und und und. Das älteste Foto stammt von Heinrich Zille, gefunden im Stadtmuseum. Es stammt etwa aus der Zeit um 1898 und zeigt drei Arbeiter auf einem Bahnsteig. Zille hat sie von seinem Fenster aus fotografiert. Heinemann griff zur Lupe und entdeckte im Hintergrund den Schriftzug „Stralau-Rummelsburg“. Bingo, das ist der heutige Bahnhof Ostkreuz. Heinemann sucht auch nach Fotografien von alten Industrie- und Bahnanlagen, die längst verschwunden sind. Wie die Gaswerke an der Ringbahn zum Beispiel. Oder die Güterbahnhöfe in Moabit, Wilmersdorf, Tempelhof und Halensee. „Von Halensee aus wurden von 1913 bis 1944 die Toten aus Berlin zum Friedhof nach Stahnsdorf gebracht“, erzählt der Autor. „Leichenverladestelle“ hieß das damals nüchtern bei der Bahn. Solche Fotos zu finden, sei schwierig, sagt Heinemann. Nicht selten hockt er bis in die Nacht vor dem Rechner auf der Suche nach solchen Raritäten.

In 60 Minuten einmal Berlin umrunden

Was ihm noch fehlt? Da muss Sven Heinemann nicht lange überlegen. Ein Bild vom großen Güterbahnhof an der Greifswalder Straße zum Beispiel. Dort war zu DDR-Zeiten der Kohleumschlagplatz des VEB Kohlehandel. Oder ein Luftbild vom Gleisdreieck Gesundbrunnen, Bornholmer Straße und Schönhauser Allee. Dort stand bis in die 1950er-Jahre ein riesiges Betriebswerk der Bahn. „Davon gibt es leider nur Detailaufnahmen.“ Auch vom längst abgerissenen Bahnwasserwerk in Halensee fehlt ihm eine Nahaufnahme. Oder vom Ölbahnhof des Kraftwerkes Wilmersdorf. Das steht zwar noch, doch Heinemann hätte gern Fotos von den alten Kesselwagen. „Ich hab's überall versucht, im Archiv von Vattenfall und bei der Deutschen Bahn. Aber es ist wie verhext.“ Wer ihm mit historischen Aufnahmen weiterhelfen kann, erreicht Heinemann im Büro unter ¿29 36 33 64. „Ich würde mich freuen.“

Doch auch so wird der „Mythos Ringbahn“ wieder ein dickes Buch. Da ist sich Heinemann sicher. Was aber macht die Ringbahn für ihre Fans eigentlich heute noch so spannend? Mal abgesehen von ihrem Alter. Dass sie im Kreis fährt? Sven Heinemann lacht. „Ein bisscher mehr hat sie schon zu bieten.“ Dass sie schafft, was kein Auto schafft zum Beispiel. Nämlich die gesamte City auf 37 Kilometern in gut 60 Minuten zu umrunden. Dabei fährt sie durch sechs Bezirke und stoppt an 27 Bahnhöfen. Und was es unterwegs da so alles zu entdecken gibt an Sehenswürdigkeiten! Aber das füllt ein anderes Buch.

Autor:

Ulrike Kiefert aus Mitte

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