"Der Zweck heiligt nicht alle Mittel"
Debatte um Stadtrat Schmidt in der BVV
Der, um den es ging, sagte die ganze Zeit kein Wort. Florian Schmidt (Bündnis90/Grüne) schwieg, während andere den Versuch unternahmen, seine Aussage und mögliche dahinter stehenden Manipulationsvorwürfe zu hinterfragen, deuten oder zu erklären.
Ort der Handlung: Am 10. Februar im Rathaus Kreuzberg bei der an diesem Tag fortgesetzten Bezirksverordnetenversammlung (BVV). Die Vorlage für die Debatte lieferte die SPD mit einer Großen Anfrage.
Der Ursprung: Jener Satz von Florian Schmidt in der Sitzung von Grünen, Linken und SPD am 13. Januar, nach dem er Akten zum Komplex der Genossenschaft Diese eG und deren Vorkäufen zurückgehalten habe, damit sie nicht "von CDU und FDP instrumentalisiert und von einem Redakteur des Tagesspiegel zur politischen Agitation genutzt werden können". Der sozialdemokratische Fraktionsvorsitzende Sebastian Forck wertete dieses Statement einmal mehr als "solche Ungeheuerlichkeit", die seine Partei dazu veranlasste, die eigentlich vereinbarte Vertraulichkeit zu brechen. Nehme man die Aussagen für bare Münze bedeute das, es wurden aus politischer Opportunität Informationen vorenthalten. Und das hieße in diesem Fall auch, dem Vorkaufsrecht einen Bärendienst zu erweisen, meinte Forck. Seine Fraktion stehe, ebenso wie Grüne und Linke, zu diesem Instrument für besseren Mieterschutz. Dass speziell CDU und FDP das etwas anders sehen, sei ihr gutes Recht in einer demokratischen Auseinandersetzung. Aber ihnen müsste selbstverständlich die vollständige Akteneinsicht ermöglicht werden.
Die Verteidigung: Übernahm Bürgermeisterin Monika Herrmann (Bündnis90/Grüne). Sie zitierte zunächst verschiedene Vorwürfe, die SPD, CDU und FDP gegen Florian Schmidt geäußert haben und sah darin eine Vorverurteilung. Danach betrieb sie die Schmidt-Exegese anhand dreier Fragen. Was hat er gesagt? Was gemeint? Und was gemacht?
Dass die Wortwahl nicht gerade glücklich war, schimmerte auch bei ihr durch. Sie sei aber nach ihrer Version anderes gemeint gewesen. Gegenüber der SPD wäre das am 15. Januar mündlich und zwei Tage später schriftlich dargelegt worden. Demnach hätten manche Akten deshalb nicht eingesehen werden können, weil dort Belange Dritter oder des Landes Berlin berührt wurden. Darauf nicht hinzuweisen, wäre ein Fehler gewesen. Für den Florian Schmidt keine persönliche Verantwortung trage. Und erst recht habe er natürlich nicht an den Unterlagen herumgefingert. Auf ihre Veranlassung wäre auch der Landesrechnungshof eingeschaltet worden, betonte die Bürgermeisterin. Der prüfe die ganze Angelegenheit jetzt neutral und unvoreingenommen.
Emotional angefasst: Marlene Heihsel (FDP) wirkte ziemlich frustriert. Das vermeintliche Agieren des Stadtrats in dieser Causa passt nach ihrer Einschätzung zu seinem gesamten Verhalten, das er bei ihm nicht genehmen Fragen und besonders gegenüber ihrer BVV-Gruppe an den Tag lege. Die würden entweder überheblich abgebügelt oder erst mit Verspätung beantwortet. Auch für ihre Große Anfrage zum Diese-Komplex vom vergangenen November gelte das.
Den im Raum stehenden Satz habe Florian Schmidt gegenüber den Adressaten bisher nicht direkt erklärt. Es gab nur eine allgemeine Entschuldigung. "Ob bei unserer Akteneinsicht im August etwas vorenthalten wurde, wissen wir bis heute nicht."
Besonders enttäuschend wertete Marlene Heihsel außerdem das Verhalten der Grünen-Fraktion. Gerade diese Partei, die sonst immer für Transparenz eintrete, lasse sie hier vermissen. "Aber der Zweck heiligt nicht alle Mittel".
Harte Bandagen: Die FDP habe sich ja nicht unbedingt als Verteidigerin des Vorkaufsrechts hervorgetan, merkte der Grünen-Fraktionsvorsitzende Julian Schwarze an. „Aber es geht auch um die Menschen in den Häusern“. Der Subtext lautete: Florian Schmidt ist wegen seiner Politik heftigen Angriffen ausgeliefert. Auch von „Durchstechereien“ an die Immobilienwirtschaft war in diesem Zusammenhang schon die Rede. Und immer wieder von einer „Kampagne“.
Für John Dahl (SPD) taugt das aber alles nicht als Begründung. Die später nachgeschobene Erklärung gegenüber seiner Fraktion hätte Florian Schmidt auch gleich abgeben können. Abgesehen davon wäre die ebenfalls zu hinterfragen. Schon weil zumindest die Belange des Landes Berlin auch die BVV als Teil der Verwaltung beträfen.
Und nun? "Ich will, dass der zurücktritt", sagte John Dahl in Richtung des Baustadtrats. Auch die CDU fordert einen Abgang von Florian Schmidt. Um ihn aus dem Amt zu heben, bräuchte es aber die Zustimmung der Linkspartei. Auf deren lautes Schweigen verwies Timur Husein, auch mit dem Hinweis, sie solle endlich "die Signale hören".
Die Zurückhaltung begründete die Linke-Fraktionsvorsitzende Katja Jösting vor allem mit zwei Dingen. Erstens: Ihre Partei habe bisher keine Einsicht in die Akten genommen und wisse schon deshalb nicht, was dort vielleicht fehlen könnte. Außerdem fühlten sie sich weiter an die verabredete Vertraulichkeit vom 13. Januar gebunden.
Auch Florian Schmidt sagte noch etwas. Aber erst nach Ende der Debatte, im kleinen Rahmen und nur indirekt in eigener Sache. Er teilte mit, dass am 13. Februar die Verträge zur Förderung der Diese eG mit dem Land Berlin beziehungsweise der Investitionsbank unterzeichnet werden.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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