Der Traum vom Bundestag
Einzelkandidaten wie Frigga Wendt haben es schwer im Wahlkampf

Kaum bekannt, wenig Geld: Parteiunabhängige Einzelkandidaten haben viele Wettbewerbsnachteile, sagt Frigga Wendt.  | Foto:  Ulrike Kiefert
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Zur Bundestagswahl treten auch viele parteilose Kandidaten an, obwohl sie kaum eine Chance haben, ins Parlament einzuziehen. Zwei dieser Einzelkämpfer sind Frigga Wendt und Christian Pape. Die Berliner Woche hat mit ihnen gesprochen.

Parteilose Einzelbewerber mischen im Wahlkampf kräftig mit. Rein rechnerisch haben sie allerdings wenig Chancen, in den Bundestag gewählt zu werden. Weit mehr als 2500 Direktkandidaten treten bundesweit an. In Berlin buhlen immerhin 121 Kandidaten in zwölf Wahlkreisen um die Erststimme. Warum also nimmt jemand den anstrengenden Wahlkampf auf sich, wenn er weiß, dass er kaum Aussicht auf Erfolg hat?

Frigga Wendt, die ihre Mails mit „FriGGa“ unterschreibt, hat wahrscheinlich größere Chancen als manch anderer. Die 44-Jährige hat schon zwei Bundestagswahlkämpfe hinter sich. 2017 schnitt sie für eine Einzelbewerberin mit 1200 Stimmen gar nicht mal so schlecht ab. Vier Jahre später blieb es bei 120 Stimmen. Trotzdem tritt Wendt am 23. Februar erneut für den Bundestagswahlkreis 82 Friedrichshain/Kreuzberg und Prenzlauer Berg Ost an. Acht direkte Konkurrenten hat sie dort, darunter eine parteiunabhängige Einzelkandidatin wie sie. In ganz Berlin versuchen laut Amtsblatt vier Einzelbewerber ihr Glück.

An den Einzug in den Bundestag glaubt Wendt fest. Ihre Motivation? Politik aktiv mitgestalten, das Angebot im Bundestag „reichhaltiger“ und damit bunter machen, als „kleine Parteilose Aspekte beleuchten, die in der großen Politik fehlen“. Auch Frust über die etablierten Parteien ist dabei. Ihre Kandidatur will Frigga Wendt nutzen, um das „bedingungslose Grundeinkommen als Menschenrecht wählbar und sichtbar zu machen“. Das ist es, wofür die gebürtige Schwerinerin eintritt. Als Kennwort neben ihrem Namen auf dem Wahlzettel steht: „Bedingungsloses-Grundeinkommen-als-Menschenrecht.de“. Ihre Vision: das Grundeinkommen als Existenzrecht für alle, direkte Demokratie und ein Wahlkampf, in dem über Themen und Inhalte abgestimmt wird, „nicht über Personen“. Das ist ihr wichtig und deshalb hat sich Frigga Wendt entschieden, die Mühen eines Wahlkampfes auf sich zu nehmen, ohne strukturelle und finanzielle Unterstützung einer Partei. „Parteien nehmen sich selbst viel zu wichtig“, sagt Wendt. Und außerdem, wer könne ihre Ideen und Bedürfnisse besser vertreten als sie selbst? „Natürlich kann ich als Einzelperson, selbst wenn man mich wählen würde, nicht automatisch den restlichen Bundestag überzeugen, dass es jetzt endlich Zeit ist, ein Menschenrecht auf wirtschaftliche Existenz anzuerkennen“, sagt Wendt. „Aber ich kann meinem eigenen Anliegen und das vieler anderer Menschen überregionale Aufmerksamkeit geben und die Diskussion voranbringen.“ Es schwingt aber auch Satire mit, wenn die „bürgergeldaufstockende Freiberuflerin und Nachhilfelehrerin für Grund- und Menschenrecht“ – so beschreibt der Wahlzettel Wendts beruflichen Background – dem Wähler vor der Wahl „alles verspricht, was er hören will“. Oder wenn sie auf ihrer Website als Motiv für ihre Kandidatur angibt: „Um einen gut bezahlten Job zu haben“.

Wie Frigga Wendt ist auch Christian Pape ein Einzelkämpfer. Der Volkswirt tritt in Neukölln an. Das Kennwort seiner Kreiswahlwerbung lautet www.abgeordnetenwatch.de/profile/christian-pape. Wendt und Pape kennen sich aus den vergangenen Wahlkämpfen, von Terminen, Petitionen und Aktionen. Und sie haben gemeinsam Unterschriften gesammelt. Denn um sich als Einzelbewerber in seinem Wahlkreis aufstellen zu lassen, braucht man 200 sogenannte Unterstützungsunterschriften. Normalerweise ist das zeitlich gut zu schaffen. Erst recht im Sommer. Diesmal aber war die Abgabefrist wegen des vorgezogenen Wahltermins ziemlich knapp, was beide kritisieren. Die Kälte draußen, und es wird schnell dunkel. Da lässt sich nicht jeder gern von Unbekannten anquatschen, so ganz ohne Wahlkampfstand. Christian Pape, der über seine Beweggründe für den Bundestag zu kandidieren, ein ganzes Buch („Die Grenzen des deutschen Wirtschaftswachstums“) geschrieben hat, wünscht sich, dass die Wähler frühzeitig über die Parteien und Kandidaten informiert werden, die sie auswählen können. „Zum Beispiel könnte mit der Wahlbenachrichtigung ein Heft mitgeschickt werden, in dem alle Parteien und Kreiswahlkandidaten benannt werden und sich mit kurzem Text selbst präsentieren können“, schlägt Pape vor. Inklusive einem Link zu weiterführenden Informationen. Das helfe den Einzelbewerbern, die sonst so gut wie niemand – weder die Politik noch die Medien – auf dem Schirm habe. Und auch der Wähler profitiert davon. Der würde, so Pape, die vielen Angebote nicht erst in der Wahlkabine sehen.

In den letzten Wochen bis zur Bundestagswahl heißt es für Frigga Wendt und Christian Pape noch mal verstärkt Wahlkampf, Wahlkampf, Wahlkampf. Sie will selbstgemalte Plakate hängen, Flyer verteilen, online für sich werben. Er dagegen verzichtet diesmal auf Plakate, macht lieber Personenwahlkampf und geht „direkt auf die Menschen zu“. So bleibe er besser in Erinnerung, sagt Christian Pape. Auf jeden Fall müssen beide „unglaublich viel Zeit“ investieren, damit der Wähler das Kreuz am Ende möglicherweise doch bei ihnen macht.

Autor:

Ulrike Kiefert aus Mitte

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