"Wir brauchen Kartoffelsalat"
Ernstes und Groteskes im Alltag des Ordnungsamtes
Unter den Dienststellen des Bezirks gehört das Ordnungsamt zu den bekanntesten, speziell dessen Außendienst (AOD). Das ergibt sich schon wegen des intensiven Kontakts zur Bevölkerung.
Deren Verhältnis zum Ordnungsamt ist aber häufig sehr kritisch und emotional geprägt. Sei es, weil jemand bei einer Ordnungswidrigkeit erwischt wurde und sich in vielen Fällen ungerecht behandelt fühlt. Oder, die andere Seite der Medaille, die Bürgerin/der Bürger ein Ärgernis gemeldet hat, um das sich aber vermeintlich nicht gekümmert werde. Dazwischen das Amt und seine Mitarbeiter. Sie sind konfrontiert mit unterschiedlichen Wünschen und Forderungen, können aber allen schon wegen ihrer Personalstärke nicht nachkommen. Weiterer Zuwachs stand deshalb auch auf ihrem vor Weihnachten formulierten "Wunschzettel" ganz oben.
Immer weiter draufgesattelt: Als das Ordnungsamt vor 15 Jahren zur eigenständigen Behörde in den Bezirken wurde, seien 28 Stellen im Außendienst bewilligt worden. Heute wären es effektiv 36, rechnete AOD-Leiterin Christine Schütze vor. Zur gleichen Zeit wären eine ganze Menge weiterer Aufgaben hinzugekommen. Sie lesen sich wie eine Art Gemischtwarenladen. Das Augenmerk auf den ruhenden Verkehr, vulgo der Falschparker, ist am bekanntesten. Aber auch Aufspüren von Dreckecken, Einsatz bei Ruhestörung, das Aufgreifen von Hundehaltern, die ihre Vierbeiner nicht anleinen oder deren Hinterlassenschaften unentsorgt liegen lassen, gehören dazu. Genauso wie Radfahrer auf Gehwegen stellen, Verursacher unerlaubt angebrachter Werbung ermitteln, an Grundschulen auf das Einhalten der Straßenverkehrsordung pochen, darauf achten, dass Jugendlichen weder Alkohol noch Zigaretten verkauft werden und dass die Außenschankverordnung in Lokalen eingehalten wird. Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie wird auch regelmäßig erweitert. Der neueste zusätzlich geplante Auftrag: Kontrolle der Prostituierten.
Zuständigkeiten: Für all das und noch mehr ist das Ordnungsamt verantwortlich. Manchmal auch wieder nicht. Wenn der Dienst im Außendienst um 22 Uhr endet, geht die Zuständigkeit eigentlich an die Polizei. Dort gibt es aber ebenfalls häufig zu geringe Kapazitäten, erst recht, wenn eine Beschwerde als Bagatellfall eingeordnet wird. Und wann für eine Anzeige ausschließlich die Kollegen des staatlichen Gewaltmonopols gefordert seien, wäre auch manchen dort noch immer nicht ganz klar, beklagen Verantwortliche des Ordnungsamtes.
Spitze des Eisbergs: Den Bürger interessieren solche Kompetenzabgrenzungen wenig. Er möchte, dass sein Problem schnell gelöst wird. Das gelingt schon wegen der Personalstärke nur ansatzweise. Christine Schütze gibt das unumwunden zu. Pro Schicht seien maximal vier Doppelstreifen unterwegs. Viel zu wenig für den gesamten Bezirk. Zumal für manche Einsätze mehr als nur zwei Außendienstmitarbeiter benötigt werden. Etwa, wenn gegen illegale Griller vorgegangen werden müsse. Der Eindruck, der sich bei solchen und anderen Berichten vermittelt: Die Ordnungswidrigkeiten, die überführt werden können, bedeuten nur die Spitze des Eisbergs.
Verstopfte Plattform: Manches, was beim Ordnungsamt landet, wird dort als nicht prioritär angesehen oder fällt gar nicht in die eigene Zuständigkeit, bindet aber Arbeitskraft. Das gilt speziell für manche Nachrichten über die Plattform "Ordnungsamt Online". Neben häufigen Anzeigen über illegal abgelagerten Müll wird dort zum Beispiel auch angezeigt, wenn bei einem Auto gerade der TÜV abgelaufen ist. Die "Lieblingsmail" des Ordnungsamt hatte folgenden Inhalt: "Wir haben keinen Kartoffelsalat mehr. Bringt Nachschub vorbei." Das sei kein Fake, beteuerte Amtschef Joachim Wenz.
Skurril wird das Online-System gerade beim Thema unsachgemäß abgelagerter Abfall. Den wegzuschaffen ist Sache der BSR. Die kann das aber bisher nur nach Auftrag des Ordnungsamtes machen. Was manchmal dazu führt, dass die Stadtreinigung selbst Beschwerden einstellt, um dadurch die Order zum Entsorgen zu bekommen.
Eigenes Nachjustieren: Aber auch das Ordnungsamt muss sich die Frage gefallen lassen, ob alle seine Abläufe optimal sind. Julian Schwarze wartet mit einem eigenen Erlebnis auf. Der Fraktionsvorsitzende der Grünen hatte am Chamissoplatz ein Fahrzeug entdeckt, das einen Fußgängerübergang blockierte. Er übermittelte das per Telefon an das Ordnungsamt. Dort wurde ihm erklärt, möglicherweise liege dafür eine Genehmigung des Straßen- und Grünflächenamtes vor. Dorthin solle er sich wenden. Immerhin gab es den Versuch einer Weiterleitung. Die nicht funktionierte. Julian Schwarze landete in der Zentrale. Ein Ämterhopping, das er, abgesehen von der Gefahrenquelle, für wenig bürgernah erachtete.
Was folgt daraus? Mehr Mitarbeiter bekommt das Ordnungsamt höchstens in Etappen. Im gesamten Bezirk einigermaßen präsent zu sein, bleibt weiter schwierig. Mehr Effizienz wird durch die Erlaubnis erhofft, künftig auch in Zivil auf Streife zu gehen. Manche Übertretungen könnten dadurch besser aktenkundig gemacht werden.
Wertschätzung: Nicht zuletzt geht es um Anerkennung für den täglichen Dienst, gerade in Friedrichshain-Kreuzberg. Der wurde von der Bezirkspolitik auch nahezu durchgehend versichert, wird aber auch jenseits solch verbaler Unterstützung gewünscht.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.