Selbst auf Friedhöfen wird gedealt
Friedrichshain-Kreuzberg kämpft gegen Verwahrlosung
Müll, Drogen, Obdachlosigkeit: Bürgermeisterin Monika Herrmann (Bündnis 90/Die Grünen) prangert die zunehmende Verwahrlosung von Friedrichshain-Kreuzberg an und sucht nach Gegenrezepten.
Pizzakartons am Landwehrkanal, Sperrmüll am Straßenrand, überquellende Mülleimer in Parks, Heroinspritzen auf Friedhöfen. Wilde Hinterlassenschaften sind in Friedrichshain und Kreuzberg kein neues Problem. Das weiß auch die Bürgermeisterin. „Aber wir haben eine zunehmende Beschwerdelage“, sagt Monika Herrmann.
Mehr als 80 Hinweise hat die Rathauschefin allein seit Mai auf den Tisch bekommen. Vom Mehringplatz, Kotti und Görli, vom Landwehrkanalufer, aus dem Wrangelkiez, von Anwohner aus der Warschauer Straße, Revaler Straße und und und. Dabei kämpft der Bezirk seit Jahren mit verschiedenen Rezepten gegen die Verwahrlosung im öffentlichen Raum. Doch offenbar vergeblich. Mehr Müll, mehr Drogen, mehr Obdachlose lautet das nüchterne Fazit der Bürgermeisterin.
Hauptverursacher des Mülls sind aber nicht wie vermutet die Touristen, „die durch den Bezirk wandern und alles stehen und liegen lassen“, sagt Herrmann. Denn während des Corona-Lockdowns sei das Müllaufkommen nicht zurückgegangen. 900.000 Euro gibt das Straßen- und Grünflächenamt aus seinem 1,8-Millionen-Euro-Jahresbudget mittlerweile nur dafür aus, den Müll aus den Grünanlagen zu holen. „Das Hinterherlaufen des Staates funktioniert nicht mehr“, sagt die Bürgermeisterin. „Die Leute müssen schon mitmachen.“
Pfandsystem für Pizzakarton
und Kaffeebecher
Der Bezirk wiederum brauche neue Konzepte zur Müllvermeidung, betont Herrmann, und die würden auch gerade besprochen. Mit den Betreibern der Wochenmärkte will man zum Beispiel ein Pfandsystem entwickeln. Und das sieht so aus: Wer sich eine Pizza oder einen Kaffee kauft, zahlt einen Euro drauf und bekommt das Geld zurück, wenn er den Karton oder Pappbecher wieder abgibt. Der Pizzakarton landet in der Mülltonne, die die BSR abholt. Die neuen Tonnen müssten die Markthändler bezahlen. „Wir können natürlich niemanden dazu zwingen, aber ich glaube, es wird vielerorts auf Verständnis stoßen“, vermutet die Bürgermeisterin. Vertraglich regeln ließe sich das Pfandsystem über die Sondergenehmigung für Außenflächen – auch für Spätis, Imbissbuden und Großveranstaltungen.
Monika Herrmann kann sich auch gut vorstellen, dass die BSR künftig den gesamten öffentlichen Raum säubert, also nicht nur den Görlitzer Park, das Paul-Lincke-Ufer und den Schleidenplatz. „Die BSR hat die Maschinen und Logistik dafür, wir nicht. Wir beauftragen damit auch nur Fremdfirmen.“ Damit die Stadtreiniger das leisten können, brauche es aber mehr Geld vom Land und nicht vom Bezirk. Die SPD-Fraktion fordert ihrerseits schon länger, auch den Forckenbeckplatz in das Reinigungsprogramm der BSR aufzunehmen. Trotz Beschlusses der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) sei das aber bis heute nicht passiert. Zur BVV-Sitzung im September will die SPD einen Antrag vorlegen, der das Bezirksamt auffordert, größere Müllbehälter auf dem Forckenbeck-, Trave- und Boxhagener Platz aufzustellen.
Keine Übersicht über Drogenorte
Weitere Probleme, die Monika Herrmann im Bezirk benennt, sind Drogen, Partys und Obdachlosigkeit. Das Kottbusser Tor, der Görli und das RAW-Gelände sind als Drogen-Hotspots bekannt. Doch inzwischen wird laut Bürgermeisterin auch am Südkreuz, im Böcklerpark und selbst auf Friedhöfen gedealt oder Party gefeiert. Die BSR bemühe sich, mehr Spritzenautomaten aufzustellen, damit die nicht überall herumliegen. Spritzenfunde können zudem online unter www.berlin.de gemeldet werden. Außerdem kündigt die Bürgermeisterin eine aktuelle Auswertung der Drogenorte im Bezirk an. „Eine solche Erhebung fehlt vom Senat“, bemängelt Herrmann. „Berlin hat keinen Überblick darüber, wo alles gedealt wird. Wie soll man da erfolgreich Drogen bekämpfen oder wissen, wo es mehr Sozialarbeiter und Therapieplätze braucht.“
Auch beim Thema Obdachlosigkeit kritisiert die Rathauschefin den Senat. Es dauere zu lange, bis angekündigte Angebote wirksam würden. Außerdem fordert Herrmann mehr Polizeistreifen, Kontrollen und aufsuchende Sozialarbeiter in den Kiezen. Dafür habe der Bezirk weder ausreichend Personal noch Geld.
Autor:Ulrike Kiefert aus Mitte |
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