Ein Hasstweet und seine Folgen
Konflikt im Bezirksamt entzündet sich am Radweg Tamara-Danz-Straße
Das Bezirksamt soll "mit einer Stimme sprechen". Kaum einmal war es davon so weit entfernt wie bei der Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) am 27. Februar.
Äußerer Anlass war das Thema Falschparker auf dem Radstreifen an der Tamara-Danz-Straße. Ein vor allem in den sogenannten sozialen Medien nicht nur hoch emotional diskutiertes Problem. Auch am 24. Februar. Um 19.43 wurde bei Twitter eine Nachricht mit folgendem Inhalt abgesetzt: "Wenn Ordnungsstadtrat Andy Hehmke, sagen wir, einen unglücklichen Unfall hätte, dann.... könnte sich beim Ordnungsamt endlich was bewegen. Frage, äh aus akademischem Interesse", fügte der Schreiber noch hinzu. Versehen mit einem Smiley.
Zum Lachen war dieser Hasstweet nicht. Was aber Hehmkes SPD-Fraktion darüber hinaus erregte: Bürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) hatte die Nachricht verfolgt und sich aktiv an diesem Gezwitscher beteiligt, ohne den Verfasser der Unfallphantasien wegen seiner menschenverachtenden Aussagen zurechtzuweisen. Jedes einzelne Mitglied des Bezirksamts wäre aber aufgefordert, Bedrohungen und Aufrufen zur Gewalt gegenüber Kollegen entgegenzustellen, formulierten die Sozialdemokraten in einem Dringlichkeitsantrag.
Hehmke vermisst Kollegialität
Dass Hehmke anscheinend nicht nur, aber gerade in diesem Fall eine Kollegialität und Unterstützung vermisst, machte er bei der Antwort einer Anfrage zur Tamara-Danz-Straße deutlich. Er ergänzte Aussagen, die dazu zuvor Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) und Monika Herrmann getätigt hatten, auch mit dem Verweis, er rücke damit von dem Prinzip der "einen Stimme" im Bezirksamt ab.
Der Vorwurf an ihn und das Ordnungsamt, auch jenseits inakzeptabler Tweets, lautet: Es werde nicht gegen die Falschparker durchgegriffen, die ihre Autos auf dem Radstreifen abstellen.
Das wäre deshalb nicht möglich, weil die entsprechenden Verkehrsschilder unvollständig und fehlerhaft seien, konterte Hehmke und führte Angaben des Straßen- und Grünflächenamtes an. Diese Abteilung liegt in der Verantwortung von Florian Schmidt. Der hatte zuvor erklärt, der Hinweis auf die Radspur sowie eine durchgezogene Linie genüge den Vorgaben.
Gruppentherapie nötig?
Er sei in einem Land aufgewachsen, in dem Recht und Gesetz wenig gegolten hätten, sagte Hehmke in Anspielung auf die DDR. So etwas werde es in seiner Verantwortung nicht geben. Das erzürnte wiederum die Grünen, die sich mit der SED-Diktatur verglichen fühlten und eine Entschuldigung verlangten.
Es folgten mehrere Unterbrechungen der Sitzung, Sondertreffen des Ältestenrats und der Fraktionen. Dazu der Rat, das Bezirksamt sollte sich vielleicht in eine Mediation oder Gruppentherapie begeben. Der Dringlichkeitsantrag wurde erst einmal vertagt.
Zum eigentlichen Problem, den Falschparkern an der Tamara-Danz-Straße, gab es dagegen einen Beschluss. Neben dem konsequenten Abschleppen sollen sogenannte Leit-Boys auf den Markierungen des Radstreifens montiert werden, um auch so klarzumachen, dass es sich hier um keinen Autoparkplatz handelt. Der von den Grünen eingereichte Antrag, Beitritt der FDP, fand eine nahezu einstimmige Zustimmung.
Für Polizei kein Kontrollschwerpunkt
Die Straße und ihr Radweg gehören sicher nicht zu den herausragenden Verkehrsverbindungen. Auch weil beide unter der Warschauer Brücke abrupt enden. Keine große Aufmerksamkeit genießen sie deshalb bei der Polizei. Zumindest nach den Aussagen von Monika Herrmann. Der Leiter des zuständigen Abschnitts habe deutlich gemacht, es gebe wichtigere Aufgaben als die Kontrollen dort, berichtete die Bürgermeisterin und zeigte ziemlichen Ärger über diese Einschätzung.
Die Aussagen seines Bezirksamtskollegen Andy Hehmke in der BVV sorgten einen Tag später für eine Replik von Baustadtrat Florian Schmidt. Der Hinweis auf die angeblich fehlerhaften und unvollständigen Schilder an der Tamara-Danz-Straße habe sich nicht auf die Signets zum Radweg bezogen, erklärte er. Vielmehr sei es da um die Kennzeichnung von Baustellen auf dem Areal der Mercedes-Benz-Arena gegangen. Unzulänglichkeiten, die das Abschleppen von Falschparkern verhindern würden, „existieren nicht“. Dass Hehmke aus einem Schreiben vom Straßen- und Grünflächenamt (SGA) an das Ordnungsamt vorgetragen habe, werde als Verstoß gegen die Geschäftsordnung und einen kollegialen Verwaltungsstil gewertet. Eine Konsequenz daraus könnte sein, dass das SGA seine Kommunikation mit dem Ordnungsamt bis auf weiteres ausschließlich auf den Dienstweg beschränke.
Für viele Fahrradfreunde, die im Netz ihrem Unmut über die Situation in der Tamara-Danz-Straße freien Lauf lassen, scheint diese Auseinandersetzung eine Art Symbolcharakter zu haben. Dabei geht der Furor dann so weit, dass einige auch vor unterirdischen Verbalattacken und Gewaltphantasien nicht zurückschrecken.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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