Aus für Mädchenzentren
Jugendamt Friedrichshain-Kreuzberg kündigt Verein wegen Antisemitismusvorwürfen
Der Bezirk hat zwei queere Mädchentreffs geschlossen. Das Jugendamt wirft der Leitung des Trägervereins antisemitische Äußerungen vor. Die ist schockiert. Die Grünen fordern Aufklärung.
Die Pressemitteilung ist kurz. Es sind nur drei Sätze, in denen das Bezirksamt das Aus der zwei Mädchenprojekte verkündet. „Die beiden Jugendfreizeiteinrichtungen 'Phantalisa-Raum für Mädchen und junge Frauen' in Friedrichshain und 'ALIA-Zentrum für Mädchen und junge Frauen' in Kreuzberg werden durch das Jugendamt geschlossen.“ Das Jugendamt habe die Leistungsverträge mit dem Träger beendet. Man bemühe sich um „alternative und zeitnahe Angebote“ für Mädchen und junge Frauen im Bezirk. Gründe für die fristlose Kündigung der beiden einzigen queerfeministischen Projekte im Bezirk, die sich gezielt an migrantische Mädchen und junge Frauen richten, werden nicht genannt.
Der Träger der Mädchenzentren, der Verein „Frieda-Frauen*zentrum“ (Frieda), aber hat das drei Seiten lange Kündigungsschreiben von Jugendstadtrat Max Kindler (CDU) öffentlich gemacht. Der Vorwurf: Die Ziele, zu denen sich der Träger verpflichtet habe, könnten in der Zusammenarbeit nicht mehr umgesetzt werden. Dazu gehören etwa die „Demokratiebildung“, der „Abbau menschenverachtender Einstellungen junger Menschen“ und das "Einhalten des Neutralitätsgebotes" seitens der pädagogischen Mitarbeiter.
Begründet werden die aus Sicht des Bezirksamtes „schweren Verstöße gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung der BRD“ aber nicht mit der inhaltlichen Arbeit von Frieda, sondern mit den politischen Einstellungen von drei leitenden Mitarbeiterinnen, darunter zwei Vereinsgeschäftsführerinnen. Denen wirft Kindler vor, sich in sozialen Netzwerken und auf öffentlichen Veranstaltungen antisemitisch und antizionistisch gegenüber Israel geäußert zu haben. Um die Vorwürfe zu untermauern, fährt der Stadtrat schwere Geschütze auf. So überprüfe aktuell die Staatsanwaltschaft diese Aussagen „wegen des Verdachts auf Volksverhetzung und Verwendens von Kennzeichen verfassungsfeindlicher und terroristischer Organisationen“, teilt Max Kindler mit.
Außerdem erwähnt das Kündigungsschreiben mehrere Medienberichte, unter anderem über den „Palästinakongress“, bei dem eine Mitarbeiterin dem Stadtrat zufolge als Rednerin aufgetreten sein soll. Eine Fortführung des Vertragsverhältnisses sei unzumutbar und eine vorherige Abmahnung daher entbehrlich. „Damit ist die pädagogische Arbeit vor Ort sofort einzustellen.“
"Unbelegte Behauptungen,
fragwürdige Überwachungsmethoden"
Der Trägerverein ist schockiert. „Zum einen über die Ausspähung privater Instagram-Accounts von Mitarbeitenden. Zum anderen darüber, dass dem zuständigen Bezirksstadtrat bereits diffamierende Pressemeldungen genügen, um ohne Vorankündigung eine über Jahre währende Zusammenarbeit mit dem Jugendamt von einem auf den anderen Tag zu beenden und die Schließungen der beiden Einrichtungen zu verfügen.“ Die Tatsache, dass Vereinsmitarbeiter auf ihren privaten Social-Media-Profilen überwacht und sie außerhalb ihrer Dienstzeit ihre Grundrechte beanspruchen würden, indem sie zum Beispiel an Demonstrationen teilnehmen, empfinde der Verein als „besorgniserregend“. Das Bezirksamt habe „ad hoc aufgrund von unbelegten Behauptungen und fragwürdigen Überwachungsmethoden gehandelt“. Die Schließung will Frieda darum nicht hinnehmen und kündigte an, rechtlich gegen die Kündigung vorgehen zu wollen.
Erste Reaktionen kommen von den Grünen. Die fordern Aufklärung und haben Akteneinsicht beantragt. „In einer Sondersitzung des Jugendhilfeausschusses werden wir das Vorgehen kritisch diskutieren“, kündigten die Fraktionschefs Sarah Jermutus und Pascal Striebel an. Denn die Kündigung sei erfolgt, ohne dass der Jugendhilfeausschuss einbezogen worden sei und das, obwohl der Ausschuss das Jugendamt erst im Januar zu einer Mediation mit dem Träger verpflichtet hatte. „Für unsere Fraktion ist unverständlich, wieso Stadtrat Kindler den zuständigen Jugendhilfeausschuss übergangen hat.“ Man erwarte jetzt umfassende Transparenz. „Der Stadtrat muss zweifellos belegen können, welche konkreten rechtswidrigen Handlungen des Trägers vorliegen, die eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Es darf nicht dazu führen, dass die Angebote für junge Mädchen und Frauen im Bezirk ersatzlos gestrichen werden.“
Auch die SPD-Fraktion kritisiert die abrupte Schließung des Frieda-Frauenzentrums ohne Vorankündigung. "Dennoch teilen wir die fachliche Kritik des Jugendamtes am Träger", so Co-Fraktionschef und Jugendhilfesprecher Frank Vollmert. Der Konflikt bestehe bereits seit längerer Zeit.
Für die FDP ist die Kündigung von Frieda e.V. dagegen "eine
notwendige Konsequenz aufgrund der antisemitischen Äußerungen und
Aktivitäten von Mitarbeitern des Vereins".
Eingeschaltet hat sich die Bundestagsabgeordnete Canan Bayram (Grüne). Sie fordert den Stadtrat auf, die Kündigung zurückzunehmen. "Es ist nicht nachvollziehbar, auf welcher Rechtsgrundlage die im Kündigungsschreiben aufgestellten Behauptungen ermittelt wurden." Dieses Vorgehen sei geeignet, so Bayram weiter, die soziale Arbeit im Bezirk nachhaltig zu schädigen.
Autor:Ulrike Kiefert aus Mitte |
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