Weniger wäre besser
Kältehilfe ist nicht glücklich über zusätzliche Notübernachtungsplätze
Die Tabor-Kirchengemeinde ist eine von vielen Einrichtungen, die in den kommenden Monate Schlafplätze für Obdachlose zur Verfügung stellen. Mindestens 40 sind es dort ab 15. Oktober an jedem Dienstag.
Aktuell gibt es schon 680, ab November 1157 Übernachtungsmöglichkeiten im Rahmen der Kältehilfe. Mehr als ein Drittel davon befindet sich in Friedrichshain-Kreuzberg. Die Zahlen stehen für einen starken Anstieg. Die Vertreter der Liga der Wohlfahrtsverbände, die die Kältehilfe organisieren, sind darüber aber nicht rundum glücklich. Das machten sie anlässlich des Starts der Kälteperiode 2019/20 deutlich, zu dem sie in die Tabor-Kirche eingeladen hatten.
Das Mehr an Notübernachtungen hätte vor allem einen "Alibi-Charakter", meinte Ulrike Kostka, Direktorin des Caritasverbandes. Dabei werde das Problem nur verlagert. Viel wichtiger wären Wohnungen. Deshalb sollten landeseigene Grundstücke schnell bebaut und die Appartements preisgünstig abgegeben werden. Das würde eine weitaus effektivere Hilfe bedeuten. Auch den geplanten Mietendeckel sieht Ulrike Kostka nicht nur positiv. Es werde zu wenig an Anbieter mit einer oder wenigen Wohnungen gedacht. Wenn sich für die eine Vermietung nicht mehr rechne, vergrößere das den Mangel. Leidtragende wären vor allem diejenigen, die es auf dem Wohnungsmarkt ohnehin schwer hätten. Allen voran die Obdachlosen.
Ähnlich sahen das auch Oliver Bürgel, Vorsitzender der Liga und Geschäftsführer der Arbeiterwohlfahrt (AWO), und Barbara Eschen, Direktorin des Diakonischen Werks. Letztere plädierte sogar für weniger Notübernachtungsplätze. "500 müssten eigentlich ausreichen". Es gehe eher darum, die bisherige Zahl zu reduzieren. Denn das Ziel sei ja, Menschen wieder in eine feste Bleibe zu bringen, beziehungsweise dafür zu sorgen, dass sie ihre Wohnung erst gar nicht verlieren.
Es werde immer Personen geben, die, aus welchen Gründen auch immer, kaum von einem Leben auf der Straße abzubringen seien. Auch das sei zu akzeptieren, meinte Pfarrer Stefan Matthias von der Tabor-Gemeinde. Manche von ihnen nutzen die Schlafmöglichkeit in seiner Kirche. Jeden Dienstag ab 21.30 Uhr wird geöffnet. Eine halbe Stunde später gibt es ein gemeinsames Abendessen, am nächsten Morgen um 8 Uhr Frühstück. Alles organisiert von etwa 20 Gemeindemitgliedern. Und die nehmen sich, ebenso wie der Pfarrer, auch Zeit für viele Gespräche.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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