Schulhöfe zu Trainingsplätzen?
Der Vereinssport zwischen ersten Bewegungen und vielen Unwägbarkeiten
Der Eingang zum Vereinsgelände des Tennisclubs Friedrichshain an der Modersohnstraße ist verschlossen. Auf den Plätzen wird aber gespielt: Einzel bereits seit Ende April, inzwischen auch wieder Doppel. Auch Training mit kleinen Kindergruppen ist inzwischen wieder möglich.
Tennis profitierte als kontaktloses Spiel von den ersten Lockerungsübungen im Sportbereich – unter der Vorgabe weiter geltender Einschränkungen. Die betreffen zum Beispiel das Vereinsleben. Der TC vergibt zwar die Zeiten für das freie Spiel und stellt die Anlage zur Verfügung. Das war es dann aber.
Konkret sehe das so aus, dass sich die Mitglieder vorher anmelden müssen, sagt der Vorsitzende Andreas Pirl. Nur sie können den eingeschränkten Betrieb nutzen. Bei Ankunft müssten sie klingeln, dann bekommen sie Zugang zu den Plätzen, aber nicht ins Clubhaus. Umziehen oder duschen ist ebenfalls ausgeschlossen. Nach dem Match muss die Anlage sofort wieder verlassen werden. Auf das Einhalten der Vorgaben wachen "Corona-Beauftragte", wie Pirl die Aufsichtspersonen nennt. Alles keine optimalen Voraussetzungen. Aber immerhin mehr, als bei den meisten anderen Sportarten, meint der Vorsitzende.
Neuanmeldungen weiterhin nachgefragt
Aber auch bei denen bewegt sich so langsam wieder etwas. Zum Beispiel vis-à-vis dem Tennisplatz bei Berolina Stralau. Der Fußballverein mit Sitz am Laskersportplatz kann mittlerweile ebenfalls kleine Übungseinheiten anbieten. Vor allem bei den Kindern und Jugendlichen gehe es darum, ihnen wieder einige Angebote zu machen, sagt der Vorsitzende Robert Zoch. Das geschieht in Gruppen mit maximal acht Personen. Das als normales Training zu werten, wäre aber schon deshalb müßig, weil Zoch zumindest beim Fußball davon ausgeht, dass die Saison in den meisten Spielklassen ohnehin beendet ist. Zwar gibt es dazu noch keinen endgültigen Beschluss, aber alles andere hielte er für mehr als überraschend.
Eigene geplante Sommerveranstaltungen hat der Verein bereits abgesagt. Wann sich die Mitglieder wieder treffen können, weiß niemand. Nur eines kündigt Robert Zoch an: "Wenn alles vorbei ist, machen wir ein großes Fest".
Weder er noch Andreas Pirl registrieren derzeit vermehrte Austritte. Im Gegenteil, sagt der TC-Chef, "wir haben noch immer sehr viele Anfragen für Neuanmeldungen".
Den Eindruck, dass die Mitglieder ihren Vereinen weitgehend die Treue halten, hat auch Roswitha Ehrke. Es gebe nicht nur in dieser Hinsicht eine "unglaublich große Solidarität". Auch wenn das nicht bedeute, dass manche Vereine nicht trotzdem finanzielle Probleme bekommen könnten. Etwa, wenn sie verschiedene Kurse anbieten, die jetzt nicht genutzt werden können und damit auch Einnahmen fehlen.
Roswitha Ehrke ist Vorsitzende des Bezirkssportbundes Friedrichshain-Kreuzberg und im Vorstand des Frauen- und Mädchensportvereins Seitenwechsel. Ihre aktuelle Einschätzung: Es sei gerade kaum durchgehend nachvollziehbar, was wieder gehe und was nicht. Und noch mehr gelte das für die Zukunft.
Noch lange kein Normalbetrieb
Roswitha Ehrke dekliniert das an einigen Beispielen durch. Erstes Problem: die Verantwortung der Vereine und speziell ihrer Übungsleiterinnen und Übungsleiter. Die seien dafür verantwortlich, dass die Corona-Vorgaben eingehalten werden und dafür auch haftbar. Schon deshalb würden manche abwinken. Auch weil sich das manchmal bei bestem Willen nicht durchgehend gewährleisten lässt. Etwa bei Kleinkinder-Turngruppen. Selbst dann nicht, wenn Eltern mit anwesend sind. Nicht nur solche Gruppen sind häufig nach Corona-Vorgaben zu groß. Aber wie sie verkleinern? Nur die Besten weiter mitmachen lassen? Die Sympathischsten? Egal nach welchen Kriterien, es wäre ungerecht.
Sport in der Halle werde vermutlich noch lange nicht möglich sein, befürchtet Roswitha Ehrke. Aber auch im Freien gäbe es noch genügend Barrieren. Sportplätze seien nicht in ausreichender Zahl vorhanden. Ob die Vereinsangebote auch in Parks stattfinden könnten, ist zumindest umstritten. Abgesehen davon, dass die ohnehin voll genug seien und dann auch logistische Fragen eine Rolle spielen. Eine Forderung des Bezirkssportbundes ist deshalb, Schulhöfe zu temporären Sportflächen zu machen. Beim Sportamt werde das jetzt geprüft, sagt Roswitha Ehrke. Insgesamt gelte: "Wir müssen vieles ganz neu denken." Schon deshalb, weil es einen Betrieb wie vor Corona wohl noch lange nicht geben könne.
Dass aber gerade der organisierte Sport eine wichtige Rolle spielt, sei in den vergangenen Wochen einmal mehr sehr deutlich geworden, streicht Roswitha Ehrke ebenfalls heraus. Nicht nur als Ort für Bewegung, sondern auch unter sozialen und gesellschaftlichen Gesichtspunkten. Besonders für Kinder und Jugendliche bedeute das ausgefallene Training einen Verlust. Speziell für Mädchen, um die es ihr besonders geht. Die Vereine sorgten "für Gemeinschaft in einer individualisierten Gesellschaft." Ihre Wirkung, auch für die Demokratie, sei nicht hoch genug einzuschätzen. Mit einem Wort: systemrelevant.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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