Erfindung drückt die Heizkosten
Friedrichshain-Kreuzberg setzt auf neue Technik
Mit einer neuen Erfindung will der Bezirk die Heizkosten senken und hunderte Tonnen CO₂ einsparen. An neun Schulen läuft die ausgeklügelte Technik schon. Deutlich mehr sollen folgen.
Beim Klimaschutz setzt Rathauschefin Clara Herrmann (Grüne) auf Siebenmeilenstiefel statt Trippelschritte. „Wir müssen schnell vorankommen und CO₂ einsparen.“ Wie das mitten in der Energiekrise gehen kann, macht der Bezirk jetzt vor. Mit innovativer Technik eines Berliner Start-ups. Die soll die Heizkosten drücken und den Verbrauch spürbar bremsen.
In neun Kreuzberger Schulen ist die selbstlernende Heizungsregelung bereits seit dem Frühjahr im Einsatz: an der Bergmannkiez-Gemeinschaftsschule, Bürgermeister-Herz-Grundschule, Carl-von-Ossietzky-Gemeinschaftsschule, Charlotte-Salomon-Grundschule/Adolf-Glaßbrenner-Grundschule, Jens-Nydahl-Grundschule, Ferdinand-Freiligrath-Oberschule, Hunsrück-Grundschule, Leibniz-Gymnasium und der Reinhardswald-Grundschule. Im vergangenem Herbst kamen die Pablo-Neruda-Bibliothek, die Namik-Kemal-Bibliothek und die Volkshochschule am Wassertorplatz hinzu. 283 500 Euro hat der Bezirk in die Technik investiert. Und das hat sich offenbar gelohnt, denn laut Bezirksamt sank der Gasverbrauch pro Liegenschaft um bis zu 18 Prozent. Damit konnten 289 000 Euro Kosten gespart werden. Die höhere Einsparsumme ergibt sich aus dem gestiegenen Gaspreis, der 2023 bei 14,5 Cent pro Kilowattstunde lag. Anfang 2024 sank er auf zehn Cent. In der Summe rechnet das Bezirksamt damit, an allen neun Schulstandorten jährlich 220 000 Euro Heizkosten sparen zu können und mehr als 450 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr weniger in die Luft zu blasen. Das ist so viel, wie ein Mittelklassewagen auf 2,2 Millionen Kilometern ausstößt. „Oder, was 450 Drei-Zimmer-Wohnungen an Heizenergie verbrauchen“, hat Bürgermeisterin Clara Herrmann ausgerechnet.
Erfunden haben die sogenannte thermohydraulische und adaptive Heizkreisregelung Sebastian Schalau und Dennis Herrmann von der Valovo GmbH. Seit drei Jahren sind die Berliner mit ihrer „OVO Therm“ am Markt. Studiert haben die beiden Gebäude- und Energietechnik an der Technischen Universität (TU) Berlin. Der Clou: Ihre smarte Technik braucht keine Baumaßnahme, sie ist sozusagen minimalinvasiv. „Die Technik kann bei laufendem Betrieb installiert werden, die Schulen merken davon gar nichts“, so Dennis Herrmann. Das Ausrüsten der neun Schulheizkeller hat zwei Monate gedauert. Gehirn der OVO-Therm ist ein Algorithmus, der den Verbrauch der Gasheizung digital reguliert und optimiert. An kalten Wintertagen hält das System die Temperatur in den Klassenräumen stabil bei etwa 20 Grad Celsius. Volle Pulle heizen und die Fenster aufreißen, wenn es zu warm wird, muss damit nicht mehr sein. Anhand der aktuellen Wetter- und Messdaten berechnet der Algorithmus den idealen Betriebspunkt der Heizung und regelt die Anlage damit bedarfsgerecht über den Durchfluss und die Vorlauftemperatur. Die Daten wiederum liefern funkfähige Switches an den Heizungskeller. Ein bedienbarer Monitor zeichnet alle Daten und Verbräuche auf. So können sämtliche Heizungen in den Schulen und anderen Bezirksgebäuden erfasst und von zentralen Bildschirmarbeitsplätzen im Bezirksamt gesteuert werden. Das energiesparende System von Sebastian Schalau und Dennis Herrmann nutzen auch Schulen in Spandau und Potsdam.
„Gerade in Schulgebäuden haben wir großes Potenzial, die Energieverbräuche durch neue digitale Lösungen zu reduzieren“, sagt Schulstadtrat Andy Hehmke (SPD). Die ersten Monate mit dem neuen System hätten „bereits beachtliche Erfolge“ gezeigt. Der Bezirk will diese Technologie darum in möglichst all seinen 305 Gebäuden einsetzen. Vor allem in den anderen 41 Schulen. „Das hängt aber davon ab, wie viel Fördermittel wir für das größere Rollout bekommen“, so Hehmke. Das Geld für die neun Schulen floss aus dem Siwa-Programm, das für die zwei Bibliotheken und die Volkshochschule aus dem Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm. Dass zunächst nur mit Schulen in Kreuzberg begonnen wurde, erklärt der Schulstadtrat mit den üblichen Gasheizungen dort. In Friedrichshain werden viele Schulen dagegen mit Fernwärme beheizt und die braucht keine eigene Heizanlage. Wo es geht, will das Bezirksamt künftig auch Wärmepumpen einsetzen. Denn die Energiekrise zwinge zum Sparen.
Autor:Ulrike Kiefert aus Mitte |
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