Ruhe in allen Kiezen
Friedrichshain-Kreuzberg plant flächendeckende Verkehrsberuhigung
Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hat ein flächendeckendes Konzept zur Verkehrsberuhigung beschlossen. Dafür braucht es allerdings noch Geld vom Senat. Beginnen wollen die Planer im besonders belasteten Friedrichshainer Südkiez.
Weniger Lärm und mehr Sicherheit: Der Kreuzberger Graefekiez ist bereits Modellregion für Verkehrsberuhigung. Bald soll es der Durchgangsverkehr im ganzen Bezirk schwer haben. Denn Friedrichshain-Kreuzberg hat als erster Bezirk ein flächendeckendes Konzept beschlossen. „Xhain beruhigt sich“ heißt es und es kommt mitten in der Debatte um die Mobilitätswende und die Ankündigung von Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU), auch die Radwegeprojekte im Bezirk noch einmal überprüfen zu wollen.
Wobei das Bezirkspapier mit dem Radwegestopp der CDU-Senatsverkehrsverwaltung wenig zu tun habe, wie Verkehrsstadträtin Annika Gerold (Grüne) betonte. Es werde schon seit einem Jahr geplant und konzentriere sich weniger auf den Radverkehr, sondern wolle den Autoverkehr vor allem in den Nebenstraßen eindämmen und über die entscheiden die Bezirke anders als bei den Hauptstraßen selbst. Zudem seien zahlreiche Anträge von Einwohnern und Initiativen eingeflossen. Und das Konzept basiere auf Beschlüssen der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) und objektiven Daten wie denen des Umweltgerechtigkeitsatlas, der Belastungen durch Hitze, Luftschadstoffe und Lärm identifiziert. Auch die Schulwegsicherheit sei ein wesentlicher Aspekt, so Annika Gerold.
Bessere Luft, sichere Schulwege
Für die Anwohner bedeutet Verkehrsberuhigung in der Tat weniger Durchgangsverkehr, weniger Lärm und bessere Luft, sichere Schulwege und mehr Platz für Fußgänger. Um das zu erreichen, listet das Konzept „Xhain beruhigt sich“ insgesamt 280 Maßnahmen auf. Darunter sind 27 Fußgängerzonen, 53 Einbahnstraßen, 145 Querungshilfen wie Mittelinseln oder Zebrastreifen, 28 Schulzonen und 22 Modalfilter, also Poller, die Straßenbereiche absperren. 15 Planungsgebiete sind es in der Summe. Damit gilt das Konzept tatsächlich „überall im Bezirk“, so Felix Weisbrich, Leiter des Straßen- und Grünflächenamtes. Ein Blick auf die Karten bestätigt das. Mit einigen Ausnahmen. Alt-Stralau zum Beispiel. Das liegt aber daran, dass es auf der Halbinsel keinen Durchgangsverkehr gibt.
Begonnen werden soll mit den Maßnahmen im besonders belasteten Friedrichshainer Südkiez (auch Ostkreuz-Kiez) und zwar schon 2024. Dort sei die Verkehrssituation vor Schulen besonders prekär, so Felix Weisbrich. Die Mittelzusage für eine verkehrstechnische Machbarkeitsuntersuchung im Kiez gibt es schon. Noch größer wäre der Bedarf zwar am Blücherplatz. Da der aber nur von Hauptstraßen umgeben ist, seien dem Bezirk die Hände gebunden. Viel größer ist jedoch das Problem der Finanzierung. Nach aktueller Kalkulation braucht es fünf Millionen Euro, um das Konzept umzusetzen. Geld, das der Bezirk nicht hat und daher auf den Senat angewiesen ist.
Geld vom Senat
Ob der zahlt und wenn ja, wie viel, ist noch völlig unklar. Die Umsetzung werde daher „mehrere Jahre dauern“, so Stadträtin Gerold. Man wolle aber nicht warten. „Wir werden das Verkehrskonzept jetzt ausschreiben und mit ersten Maßnahmen anfangen.“ Die Finanzierung müsse dann unterwegs geklärt werden. Geplant sind außerdem „Realexperimente“, die den Bürgern zeigen, was der Bezirk vor ihrer Haustür vorhat. Das können Tests und Versuche sein, beispielsweise temporäre Diagonalsperren oder Befragungen. Denn Annika Gerold ist wichtig, dass die Zivilgesellschaft auch künftig intensiv beteiligt wird. Wobei man mit Protest von Autofahrern, für die es unbequemer wird, durchaus rechnet. „Das ist aber eine Frage der demokratischen Willensbildung“, so Gerold. „Die Verkehrsberuhigung ist mehrheitlich gewollt.“ Außerdem würden acht von zehn Friedrichshainern und Kreuzbergern gar kein Auto besitzen.
Das Konzept mit dem Maßnahmenbaukasten, Antworten auf häufige Fragen und Kommentarlinks finden sich auf www.xhain-beruhigt.berlin. Langfristig wollen die Bezirksplaner den Verkehr auch auf den Hauptverkehrsstraßen verlangsamen.
Autor:Ulrike Kiefert aus Mitte |
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