Zwischen Begeisterung und Kritik
Start der Spielstraßen in Friedrichshain-Kreuzberg ist umstritten
Seit 3. Mai sind 19 Straßen im Bezirk als Spielstraßen ausgewiesen. Weitere sollen schnell folgen. Auch Vorschläge können noch gemacht werden. Die Vorgabe gilt jeden Sonntag von 12 bis 18 Uhr.
Spielstraße bedeutet, es gibt dort keinen Durchgangsverkehr. Ausfahren aus diesem Bereich ist möglich, Einfahren eher nicht. Das Straßenland gehört dann vor allem den Kindern. Fortbewegung per Bobby Car, Roller oder Skateboard oder rennen, spielen, malen. Ohne das Virus hätte es diese Spielstraßen so schnell nicht gegeben. Ebenso wie die in den vergangenen Wochen eingerichteten Pop-up-Radwege läuft auch dieses Projekt unter dem Verwaltungsjargon "pandemiresiliente Infrastruktur" und ist ebenfalls nicht nur als temporäres Projekt gedacht, sondern soll, bei entsprechender Nachfrage, zur festen Instanz werden.
Ausgangspunkt sei das viel zu geringe Angebot an Parks und Grünflächen gewesen, erklärte Felix Weisbrich, Leiter des Straßen- und Grünflächenamtes. Speziell in manchen Kiezen. Die Spielplätze sind zwar seit Anfang Mai wieder geöffnet, sie allein reichten aber nicht aus. Die Spielstraßen sind deshalb als Ergänzung gedacht. Unter anderem dort, wo es bereits Spielplätze gibt. Eingerichtet wurden und werden sie aber in Nebenrouten, nicht auf Hauptverkehrsstraßen.
Zunächst wurde vom Bezirk eine Liste von 19 Vorschlägen erstellt. Im nächsten Schritt wurden Ende April Menschen gesucht, die während den Spielstraßenzeiten dort als "Kiezlotsen" die Aufsicht übernehmen. Während des 31 Stunden dauernden Meldedialogs hätten sich insgesamt mehr als 280 Personen dazu bereit erklärt. Der Interessentenkreis kam häufig aus bestehenden Quartiercommunities. Etwa im Samariterviertel, wo die Bänschstraße zwischen Samariter- und Pettenkoferstraße jetzt jeden Sonntag Spielstraße ist – dort federführend betreut von Mitgliedern der Initiative "Verkehsberuhigter Samariterkiez". Aber auch viele Privatpersonen machten mit. So in der Waldemarstraße, wo Sarah Albrecht als Kiezlotsin fungiert. Sie sei Anwohnerin und weitere Nachbarn in ihrem Haus würden sich ebenfalls beteiligen, erklärt sie. Ähnlich klingt das bei Tristan und Christiane an der Friedrichstraße. Auch diese ist ab sofort zwischen Franz-Klühs- und Hedemannstraße jetzt sonntägliche Spielstraße.
Wer sich als Kiezlotse gemeldet hat, findet die Spielstraßenidee natürlich gut. Lob gab es auch dafür, dass sie vom Bezirk so schnell umgesetzt wurde, auch wenn zu Beginn noch nicht jedes Detail geklärt war. Etwa, wie mit Autofahrern umzugehen ist, die im Spielstraßengebiet wohnen und dort wieder einfahren wollen. Eigentlich ist das während der sechs Stunden nicht gestattet, aber wenn jemand beteuert, nur schnell etwas abholen zu müssen?
Auch für Radfahrer sind die Spielstraßen eigentlich passé. Das lässt sich an der Waldemar- oder Wassertorstraße einigermaßen entspannt durchsetzen. Schwieriger ist das in der Friedrichstraße.
Bei aller Begeisterung, die sich nicht nur an den Kiezlotsenzahlen ausdrückt, es gibt auch Kritik. Sie reicht von genervten Pkw-Besitzern über die Frage, ob das Straßenland wirklich ein optimaler Spielplatz ist, und gipfelt in dem Vorwurf, der Bezirk verfolge hier einmal mehr seine Partikularinteressen.
Speziell letzteren hält Felix Weisbrich für "zynisch". Denn es gehe darum, Kindern in ohnehin schwieriger Situation mehr Möglichkeiten zu geben. Und dafür, nur einige Stunden an Sonntagen, mehrere Straßen vorzuhalten, wäre wirklich nicht zu viel verlangt.
Die Spielstraßenregelung gilt zunächst bis Ende Juni. Sie kann aber problemlos verlängert werden, über Corona-Zeiten hinaus, wenn sich das Projekt als Erfolgsmodell erweist – auch als Maßnahme der Verkehrsberuhigung in vielen Kiezen.
Hier befinden sich jetzt die Spielstraßen
19 Spielstraßen wurden zunächst eingerichtet. Sie befinden sich an folgenden Stellen:
Bänschstraße (zwischen Samariter- und Pettenkofer Straße), Richard-Sorge-Straße (vom Weidenweg bis zur Straßmannstraße), Gärtnerstraße (im Abschnitt Wühlisch- und Grünberger Straße), Krossener Straße (ab Gabriel-Max und bis zur Seumestraße), Lausitzer Platz bis zur Skalitzer Straße, Waldemarstraße (zwischen Dresdner Straße und Legiendamm), Wassertorstraße (begrenzt von Prinzen- und Lobeckstraße), Friedrichstraße (von der Hedemann- bis zur Franz-Klühs-Straße), Arndtstraße (zwischen Nostitz- und Schenkendorfstraße), Lachmannstraße (vom Kottbusser Damm bis Schönleinstraße), Lübbener Straße (Skalitzer bis Görlitzer Straße), Cuvrystraße (zwischen Görlitzer und Schlesische Straße), Helmerdingstraße (von Revaler bis Simplonstraße), Paul-Lincke-Ufer (von Glogauer bis Ohlauer Straße), Lilienthalstraße (von Bergmann- bis Züllichauer Straße), Dresdner Straße (zwischen Erkelenzdamm und Adalbertstraße), Rudolfstraße (begrenzt von Modersohn- und Danneckerstraße), Liebigstraße (im Abschntt Bänsch- bis Rigaer Straße).
Außerdem gibt es jeden Mittwoch die bereits im vergangenen Jahr eröffnete Spielstraße in der Böckhstraße zwischen Grimm- und Graefestraße. tf
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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