Lob für beispielgebende Bauten
Bund Deutscher Architektinnen und Architekten vergibt zwei von drei Preisen an Neuköllner Projekte
Genau 114 Berliner Projekte hatten sich für den diesjährigen Preis des Bunds Deutscher Architektinnen und Architekten (BDA) beworben. Eine Jury kürte im November die drei besten. Zwei von ihnen befinden sich in Neukölln.
Die Bandbreite der eingereichten Beiträge war groß. Sie reichte von Schulen bis zu Bürohäusern, von Gewerbehöfen bis zu Villen, vom Feuerwehrbau bis zum U-Bahnhof. Auch Stadtbekanntes wie das Pressehaus am Alexanderplatz oder das Eierhäuschen im Treptower Park wurde von der hochkarätigen Jury begutachtet und bewertet. Umso erfreulicher, dass sich das „Stiftungsensemble Spore Initiative & Publix“ als einer der drei Favoriten entpuppte. Es liegt in der Hermannstraße 94 am Rande des Friedhofs Jerusalem V. Bauherrin ist die baden-württembergische Schöpflin-Stifung, umgesetzt wurde der Entwurf des Berliner Büros AFF Architekten.
Das Ensemble besteht aus zwei terrakottafarbenen Teilen. In einem hat die Spore Initiative ihren Sitz, der es darum geht, Natur und Kultur in Einklang zu bringen und Projekte zu fördern, die sich für einen ökologischen Wandel einsetzen. Dort gibt es Ausstellungsflächen, ein Auditorium, Büros, eine Bibliothek, Ateliers, Gemeinschaftsräume und Künstlerwohnungen. Beim zweiten Bau handelt es sich um das Publix-Haus für gemeinnützigen Journalismus. Herzstück ist das offene Erdgeschoss mit Café, das auch Platz für Veranstaltungen bietet. Darüber sind Arbeits- und Gemeinschaftsräume, Aufnahmestudios und Übernachtungsmöglichkeiten für Journalisten.
Zwei geschichtsträchtige Bauten wurden in das Projekt integriert. Dabei handelt es sich um das historische Friedhofsportal, das nun zwischen den beiden Gebäuden steht, und einen der denkmalgeschützten „Anflugbefeuerungsmasten“, die den Flugzeugen das Landen in Tempelhof erleichterten. Ellen van Loon, Architektin aus Rotterdam und Jurymitglied, lobt auch die Fassaden: „Recycelter Backstein und farbiger Beton sind subtil geschichtet und stärken den massiven Charakter des Blocks.“
Gefallen fand die Jury ebenfalls an dem Kontrast zwischen den „rohen“ Materialien in den öffentlichen Innenbereichen und den „warmen“ Obergeschossen mit Eichenholz und Panoramafenstern. Van Loon: „Ergebnis dieses Zusammenwirkens ist ein halböffentliches Ensemble, das den städtischen Kontext bereichert, bis ins Detail mit Sorgfalt gestaltet ist und ausgezeichnet funktioniert.“
Das zweite preisgekrönte Projekt befindet sich im Mittelweg 8 und trägt den Titel „Ein Monolith als Lückenschluss“. Das Besondere: Das Gelände galt als unbebaubar. Denn dort sollte einst, parallel zur Karl-Marx-Straße, eine weitere Straße gebaut werden. Deshalb wurde der „Monolith“ formal zu 80 Prozent auf öffentlichem Straßenland errichtet. Eine Befreiung durch das Neuköllner Stadtplanungsamt machte es möglich.
Weitere Schwierigkeiten bereiteten große städtische Versorgungsleitungen vor dem vorgesehenen Hauseingang. Doch dann wurde umgeplant und dort ein kleiner Vorplatz mit Fahrradbügeln angelegt. Auch mit anderen geschickten Lösungen des DMSW-Architektenbüros zeigte sich die Jury sehr zufrieden. Es wurde darauf geachtet, die Loggien des Nachbarhauses nicht zu verschatten, einen Geländesprung zum Garten nutzten die Experten für ein hohes Atelier, alle neun Wohnungen liegen in Ost-West-Richtung mit Loggien zur Straße und Schlafräumen zum ruhigen Innenhof. Ebenfalls erfreulich: Das Gebäude nutzt Abwärme, heizt mit Luft-Wärme-Pumpen und hat einen begrünten Gemeinschaftsdachgarten.
Jurymitglied Lutz Keßels sagt, die Architekten hätten mit dem Projekt einen „exemplarischen Beitrag zur Baukultur“ geleistet, gerade in Zeiten der Wohnungsknappheit. Und weiter: „Die hohe Qualität wurde unter schwierigen Rahmenbedingungen umgesetzt, gleichzeitig wurde die Gesamtentwicklung mit einer Bauherrngemeinschaft zu Selbstkosten deutlich unterhalb üblicher Marktpreise realisiert.“ Das Prinzip könnte in seinen Augen auch auf größere Vorhaben übertragen und ein wichtiger Baustein künftiger Stadtentwicklung werden – ganz ohne staatliche Finanzierung. Nötig seien allerdings mehr Unterstützung von Politik und Verwaltung, so Keßels.
Autor:Susanne Schilp aus Neukölln |
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