Neuer Vorstoß in Richtung Randbebauung
Senat denkt über Wohnungsbau auf dem Tempelhofer Feld nach – und erntet harsche Kritik

Einen unverstellten Blick mitten in der Stadt genießen: Das ist nur auf dem Tempelhofer Feld möglich. | Foto:  Schilp
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Einen Ideenwettbewerb für das Tempelhofer Feld will die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ausschreiben. Dabei soll es um Wohnungsbau auf der größten Freifläche Berlins gehen. Nicht nur die Linkspartei und die Grünen sind gegen diese Pläne. Scharfer Protest kommt auch von Vereinen.

Im Koalitionsvertrag hat sich der schwarz-rote Senat darauf verständigt, eine „behutsame Randbebauung“ des rund 350 Hektar großen Feldes zu prüfen. Laut Berliner Morgenpost, die sich auf die Deutsche Presse-Agentur (dpa) beruft, hat Senatsbaudirektorin Petra Kahlefeldt mitgeteilt, der Senat verständige sich nun erst einmal über ein neues „Bürgerbeteiligungsformat“. Im September erwarte sie einen konkreten Vorschlag. Dann sei darüber zu sprechen, inwieweit Wohnungsbau auf dem Feld geplant und verwirklicht werden könne.

Akteure an einen Tisch bringen

Schon dieses Vorgehen stößt beim Verein „Mehr Demokratie“ auf Kritik. „Bei Projekten von solch zentraler Bedeutung müssen die Betroffenen bereits das Beteiligungskonzept mit erarbeiten“, sagt Sprecher Oliver Wiedmann. Das habe der Senat 2019 selbst in den „Leitlinien zur Beteiligung“ festgelegt. Also seien alle wichtigen Akteure und Initiativen an einen Tisch zu bringen. „Und auch die Nichtbebauung muss ernsthaft diskutiert werden. Alles andere wäre angesichts des Volksentscheids absurd und würde Vertrauen verspielen", so Wiedmann.

2014 hatte die Mehrheit der Wähler dafür gestimmt, das Tempelhofer Feld so zu lassen, wie es ist. Trotzdem wurde seitdem immer wieder über eine Randbebauung diskutiert. Meistens mit der Begründung, die Lage auf dem Wohnungsmarkt spitze sich zu und das riesige Areal vertrage es, wenn kleinere Teile abgeknapst werden würden.

Wertvolle Grünfläche

Das sieht Uwe Hiksch vom Verein „Naturfreunde Berlin“ anders. Er kritisiert, mit dem Ideenwettbewerb versuche der Senat, den Volksentscheid „durch die Hintertür auszuhebeln“. Sein Verein lehnt jedwede Bebauung ab. Dafür sei das Feld zu wertvoll. Denn es erfülle gleich mehrere Funktionen: Erholung und Freizeit, Frischluftschneise für die City, Lebensraum für Flora und Fauna. Nicht zuletzt sei die große freie Fläche wichtig für die „Schwammstadt Berlin“, also das Versickern und Speichern von Regenwasser. All diese Punkte führen auch die Bündnisgrünen an.

Zudem sehen sie keine Notwendigkeit, immer wieder über eine Randbebauung zu sprechen. „Der Neubau in Berlin scheitert nicht an mangelnder Fläche, sondern an gestiegenen Baukosten, mangelndem Personal in den Stadtentwicklungsämtern und zu wenig Baustoffen“, so Moritz Heuberger, Vorsitzender des Kreisverbands Tempelhof-Schöneberg. Die Planungen des Senats betrachtet er als „reines politisches Kalkül“.

"Wahnsinn muss gestoppt werden"

Auch Tilmann Heuser, Geschäftsführer des Bunds für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (Bund), macht aus seinem Ärger keinen Hehl. „Die im Doppelhaushalt 2024/2025 eingestellten 1,2 Millionen Euro für den Wettbewerb sind reine Geldverschwendung. Eine Shownummer, die in den nächsten zehn bis 20 Jahren keinen Beitrag zur Wohnraumversorgung leisten können wird“, sagt er. Ihm geht es nicht nur um das Tempelhofer Feld. „Dieser Wahnsinn, dass immer nur auf Grünflächen gegangen wird, muss gestoppt werden“, so Heuser. Die Wirtschaft, die notorisch auf Neubau beharre, sei ihrerseits „nicht bereit, auch nur einen Quadratmeter Gewerbegebiete abzugeben, damit die umgewandelt werden in Gebiete, wo man wohnen, arbeiten und anderes machen kann“, so Heuser.

Er fordert, dass endlich die „Netto-Nullversiegelung“ erreicht wird, wie 2006 im Abgeordnetenhaus beschlossen. Das bedeute zum Beispiel auch, Bestandgebäude nicht abzureißen und neu zu bauen, sondern sie umzugestalten. Er kündigt an, dass der Bund und andere Verbände im kommenden Jahr eine Unterschriftensammlung starten. Ziel sei ein Volksentscheid bei der nächsten Abgeordnetenhauswahl im Jahre 2026. Abgestimmt werden soll darüber, ob Berlin grundsätzlich weiter versiegelt werden darf.

Autor:

Susanne Schilp aus Neukölln

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