"Legende kommt nicht zurück"
Stadtplanung lehnt Karstadt-Neubau ab

Links zu sehen: Ein Teil des historischen Karstadt aus dem Jahr 1929 ist erhalten geblieben. | Foto: Schilp
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Das Kreuzberger Stadtplanungsamt hat dem Plan, das Karstadt-Gebäude am Hermannplatz abzureißen und nach altem Vorbild wiederaufzubauen, eine Absage erteilt. In Neukölln löst diese Nachricht unterschiedliche Reaktionen aus.

Die Karstadt-Eigentümerin, die Signa GmbH, will das historische Kaufhaus aus dem Jahr 1929 wiederauferstehen lassen – samt seiner Art-Déco-Fassade, den zwei Lichttürmen und der großen Dachterrasse. Der bekannte Architekt David Chipperfield soll die Planungen übernehmen.
Gehört der Hermannplatz zu Neukölln, steht das Karstadthaus auf Kreuzberger Gebiet. Der zuständige Stadtentwicklungsstadtrat Florian Schmidt (Grüne) sieht jedoch „kein Planerfordernis“, sprich, er will nicht den notwendigen Bebauungsplan aufstellen.

Eine Rekonstruktion des „Monumentalbaus“ hält er für „überzogen und unangemessen“. Vor dem Krieg sei der Hermannplatz völlig anders geprägt gewesen, habe viele Menschen aus der ganzen Stadt angezogen – auch um sich in der Hasenheide und Umgebung zu amüsieren. Heutzutage würde der geplante Neubau seine Umgebung zu stark dominieren und wie ein Fremdkörper wirken. Darüber hinaus fehlten klare Aussagen zum ruhenden Verkehr, zur Belieferung und Entsorgung.

Aufwertung dringend nötig

Falko Liecke, Neuköllner CDU-Vorsitzender, ist erbost über die Kreuzberger Haltung. „Wenn es einen Platz in Berlin gibt, der eine Aufwertung dringend nötig hat, dann ist es der Hermannplatz. Wir können froh sein, dass ein solch ambitioniertes Projekt in Aussicht steht“, sagt er. Er wirft Florian Schmidt „städtebaulichen Amoklauf“ vor. Den Senat fordert er auf, Kreuzberg die Planungshoheit aus den Händen zu nehmen und das weitere Verfahren an sich zu ziehen. Würde das tatsächlich geschehen, stünden die Chancen für das neue alte Karstadt nicht schlecht: Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) steht dem Projekt recht positiv gegenüber.

Geteilt wird Lieckes Forderung von Jan Eder, Geschäftsführer der Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK). Die Kreuzberger Entscheidung sei aus Sicht der Wirtschaft nicht nachvollziehbar. IHK-Mitarbeiter hätten mit einer ganzen Reihe von Gewerbetreibenden rund um den Hermannplatz gesprochen. Viele von ihnen sähen die Chance, vom Umbau des Kaufhauses zu profitieren.

Es gibt es aber auch ablehnende Stimmen. Verdrängung und unerwünschte Konkurrenz werden befürchtet. „Diese Sorgen sind nicht aus der Luft gegriffen“, kommentiert Stadtplanungsstadtrat Jochen Biedermann (Grüne). Das Bezirksamt ertüchtige derzeit mit viel Geld die Karl-Marx-Straße und stärke damit auch den Handel. „Alle Pläne am Hermannplatz müssen das berücksichtigen und auch den Wochenmarkt dort dürfen wir nicht vergessen.“

Austauschbare Nutzung

Biedermann zeigt viel Verständnis für die Kreuzberger Entscheidung. Auch er habe Bedenken, ob eine reine Rekonstruktion der Außenhülle die richtige Antwort für den Hermannplatz sei. „Karstadt war der größte Kaufhausbau der damaligen Zeit – etwas Einmaliges. Doch diese Legende kommt nicht zurück. Hinter der Fassade fänden sich weitgehend austauschbare Nutzungen“, sagt er.

Das sieht Bürgermeister Martin Hikel (SPD) ein wenig anders. Er habe sich einen öffentlichen Diskurs mit den Anwohnern und Gewerbetreibenden zur Zukunft des Hermannplatzes gewünscht. „Die pauschale Ablehnung ohne weitere Beteiligungsmöglichkeiten dazu halte ich nicht für hilfreich.“ Es sei gut, dass sich auch der Senat in die Debatte eingeschaltet habe.

In puncto Nutzungsabsichten hatte der Bürgermeister bereits im Juni erklärt, der Eigentümer plane keine Mall, also eine Ansammlung von Einzelläden, und das sei ganz im Sinne des Bezirks. Das bekräftigt Signa-Geschäftsführer Timo Herzberg Anfang September in einem Interview mit dem Tagesspiegel. Karstadt und die dazugehörigen Dienstleistungsbetriebe würden im Neubau bleiben – in der heutigen Größe. Außerdem sollten Flächen für Büros, Wohnungen, Hotel, Sport und gemeinwohlorientierte Nutzungen wie einer Kita dazukommen. Ebenfalls vorgesehen: eine Markthalle und Platz für Kulturschaffende.

Signa zeigte sich von der Kreuzberger Ablehnung überrascht, will ihre Pläne aber nicht ad acta legen. Das Unternehmen strebt weiterhin eine Bürgerbeteiligung an. Es gelte nun, Überzeugungsarbeit in den Bezirksgremien und beim Senat zu leisten, so Herzberg.

Links zu sehen: Ein Teil des historischen Karstadt aus dem Jahr 1929 ist erhalten geblieben. | Foto: Schilp
Sieben Geschosse, zwei Türme: So präsentierte sich das Karstadthaus, bevor es die Nazis im April 1945 sprengen ließen. | Foto: Schilp
Autor:

Susanne Schilp aus Neukölln

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