Ausgestoßen und verfolgt
Ausstellung in den Arcaden und der Bibliothek erinnert an Schicksale von Neuköllner Juden

Auf dem Ausstellungsplakat ist Familien Chraplewski mit Freunden im Garten ihres Hauses am Koppelweg abgebildet. Rechts unten Kurt, der sich mit seinen Eltern zwei Jahre auf dem Dachboden versteckte. | Foto: Repro: Schilp
2Bilder
  • Auf dem Ausstellungsplakat ist Familien Chraplewski mit Freunden im Garten ihres Hauses am Koppelweg abgebildet. Rechts unten Kurt, der sich mit seinen Eltern zwei Jahre auf dem Dachboden versteckte.
  • Foto: Repro: Schilp
  • hochgeladen von Susanne Schilp

Am 27. Januar 1945 wurde Auschwitz befreit, die Nazis ermordeten dort mehr als eine Million Menschen. Anlässlich des Jahrestags hat das Museum Neukölln die Ausstellung „Ausgestoßen und verfolgt – Die jüdische Bevölkerung während des Nationalsozialismus in Neukölln“ entwickelt. Sie ist bis Ende April zu sehen.

Von 1933 bis 1945 wird der zeitliche Bogen gespannt – von der alltäglichen Ausgrenzung bis zur Deportation in Vernichtungslager. Parallel zu den persönlichen Erfahrungen sind für jedes Jahr Gesetze und Verordnungen des NS-Staats aufgelistet, die den Juden nach und nach alle Rechte nahmen.

Einige Daten:

1934: Der sechsjährige Hanns-Peter Herz und seine Eltern müssen zur Oma in die Onkel-Herse-Straße ziehen, denn sein Vater hat seine Arbeit verloren. Erst als die Haustür mit einem Davidstern beschmiert und ein Fenster eingeworfen wird, erfährt der Junge, dass sein Papa Jude ist und untertauchen muss. Hanns-Peter wird „Judenbengel“ nachgerufen, andere Kinder machen seine Sachen kaputt und verfolgen ihn. Nur ein einziger Freund steht zu ihm und bewacht ihn auf dem Spielplatz.

1935: Frieda Manasse will ihren Arno heiraten, doch inzwischen haben die Nürnberger Gesetze Ehen zwischen Juden und „Ariern“ verboten. Ein Bluttest, den Frieda im Rathaus Neukölln machen muss, ergibt, dass über 50 Prozent „jüdisches Blut“ in ihren Adern fließen. Zwölf Jahre vergehen, bis das Paar sich im Standesamt trauen lassen kann.

Durch Ideologie zum Waisen gemacht

1938: In der Nacht zum 10. November brennt die Synagoge in der Isarstraße, die der zehnjährige Norbert Biakalas regelmäßig besucht hat. Sein Lehrer kann ihm nicht in die Augen sehen, als er ihm mitteilt, dass er nicht mehr in die Schule kommen darf. Ein halbes Jahr später verabschiedet sich Norbert auf dem Bahnhof von seinen Eltern. Ein Zug bringt sie in ein polnisches Vernichtungslager. Er sieht sie nie wieder. Er selbst überlebt, weil seine Mutter es geschafft hat, ihm einen Platz in einem Kindertransport nach Frankreich zu sichern.

1940: Juden müssen bei Bombenalarm in gesonderte Keller. Doch der Verwalter des Hauses Anzensgruberstraße 27 ist freundlich zur Familie Opprower und lässt sie gewähren. Doch dann beschwert sich eine Nachbarin, es „stinke nach Juden“, der Vater müsse in den Kohlenkeller, die „arische“ Mutter und der Sohn könnten im sichereren Luftschutzraum bleiben. Die Opprowers trennen sich nicht und gehen alle in den Kohlenkeller.

Zwei Jahre versteckt auf dem Speicher

1943: Der 22-jährige Kurt Chraplewski muss in einer Schlosserei für die Rüstungsindustrie arbeiten. Am 27. Februar belauscht er in der S-Bahn zwei SS-Männer. Am nächsten Tag sollen alle Juden aus den Betrieben geholt werden, sagen sie. Kurt macht kehrt und versteckt sich mit seinen Eltern auf dem Speicher ihres Hauses am Koppelweg. Notdürftig versorgt werden sie von Verwandten und Freunden. „Der Boden war nur einen halben Meter hoch, man konnte nur liegen. Hier war es halbdunkel, man konnte nichts tun, nicht einmal schlafen. Wenn wir gewusst hätten, dass das über zwei Jahre dauern wird …“, erinnert er sich später. Vor seinem Verschwinden konnte er noch einige Kollegen warnen. Doch vergeblich. „Sie sind alle am nächsten Morgen zur Arbeit gegangen, dann wurden die Tore zugemacht und sie wurden alle verladen und waren weg.“

Die Ausstellung ist bis zum 23. Februar in den Neukölln Arcaden, Karl-Marx-Straße 66, zu sehen. Danach zieht sie ein paar Stockwerke höher in die Helene-Nathan-Bibliothek. Begleitend ist eine Broschüre für den Schulunterricht erschienen.

Infos dazu unter museumslehrer@museum-neukoelln.de.

Auf dem Ausstellungsplakat ist Familien Chraplewski mit Freunden im Garten ihres Hauses am Koppelweg abgebildet. Rechts unten Kurt, der sich mit seinen Eltern zwei Jahre auf dem Dachboden versteckte. | Foto: Repro: Schilp
Am 16. März stürmen Angehörige von SA und Polizei das Neuköllner Rathaus und hissen die Hakenkreuzflagge. | Foto: Repro: Schilp
Autor:

Susanne Schilp aus Neukölln

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

30 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Das Team von Optik an der Zeile lädt vom 3. bis 5. April 2025 zur mittlerweile 17. Brillenmesse ein. | Foto: Optik an der Zeile

Optik an der Zeile
17. Brillenmesse vom 3. bis 5. April

Über 40 Jahre Augenoptik-Tradition im Märkischen Viertel, das feiern wir, Optik an der Zeile, auch im April im Märkischen Zentrum. Feiern Sie mit und profitieren Sie von attraktiven Angeboten, die Sie sich selbst erwürfeln können! Im Rahmen der 17. Brillenmesse vom 3. bis 5. April können Sie sich von unserer Kompetenz selbst überzeugen. Mit vielen schööönen Brillengestellen und den Gläsern von Essilor und Rodenstock bieten wir bestes Sehen für jeden Anspruch. Aus der großen Kollektion namhafter...

  • Bezirk Reinickendorf
  • 15.03.25
  • 534× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Hüft- und Kniebeschwerden können durch Unfälle, Verschleißerscheinungen oder Fehlstellungen verursacht werden und beeinträchtigen Ihre Beweglichkeit sowie Ihre Lebensqualität erheblich. | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Für mehr Lebensqualität!
Linderung für Hüft- und Knieschmerzen

Hüft- und Kniebeschwerden können durch Unfälle, Verschleißerscheinungen oder Fehlstellungen verursacht werden und beeinträchtigen Ihre Beweglichkeit sowie Ihre Lebensqualität erheblich. Bei unserem Infoabend wird Tariq Qodceiah, Chefarzt für Orthopädie & Unfallchirurgie sowie Leiter des Caritas Hüftzentrums in Reinickendorf, Ihnen die verschiedenen Ursachen und Behandlungsstrategien für Knie- und Hüftschmerzen erläutern. Er stellt sowohl konservative als auch operative Methoden vor und zeigt,...

  • Reinickendorf
  • 25.02.25
  • 1.517× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige

Vortrag am 15. April um 17 Uhr
Schmerz, Angst und Depression?

Chronische Schmerzen sind mehr als nur ein Symptom – sie können zu einer eigenständigen Erkrankung werden und das Leben der Betroffenen stark beeinträchtigen. Doch welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es? Wie kann moderne Neuromodulation helfen, das Schmerzsystem zu beeinflussen und das Leiden zu lindern? Unsere Referenten, Dalibor Arapovic und Sebastian Ciupa, informieren Sie über die Entstehung und Anatomie chronischer Schmerzen sowie über verschiedene Therapieansätze – von konservativen...

  • Mitte
  • 17.03.25
  • 252× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Erfahren Sie, welche proktologischen Erkrankungen häufig auftreten, welche Untersuchungsmethoden es gibt und wie moderne Behandlungsmöglichkeiten helfen können.  | Foto: pixel-shot.com, Leonid Yastremskiy

Proktologie: Ende gut, alles gut!

Unser Darm ist mit seinen 5 bis 7 Metern Länge ein wahres Wunderwerk unseres Körpers. Doch wenn es am Ende des Darms zu Erkrankungen kommt, kann das die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen – auch wenn man es nicht sieht. Aus Scham werden diese Probleme oft verschwiegen, dabei gibt es in den meisten Fällen gute Behandlungsmöglichkeiten. Wir laden Sie herzlich zu unserem Informationsabend ein! Erfahren Sie, welche proktologischen Erkrankungen häufig auftreten, welche Untersuchungsmethoden es...

  • Reinickendorf
  • 19.02.25
  • 1.733× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.