Was Schule nicht leisten konnte
Das erste Neuköllner Regionalmuseum bot Lehrmaterial, das fehlte

An den "städtischen Museumsleiter" Emil Fischer erinnert die rund zweieinhalb Meter große Grabstele auf dem St.-Jacobi-Friedhof, Karl-Marx-Straße 4. | Foto: Schilp
  • An den "städtischen Museumsleiter" Emil Fischer erinnert die rund zweieinhalb Meter große Grabstele auf dem St.-Jacobi-Friedhof, Karl-Marx-Straße 4.
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Neukölln hat das zweitälteste Regionalmuseum der Stadt, nur das Märkische Museum in Mitte wurde früher gegründet. Zu verdanken ist das dem Volksschullehrer Emil Fischer (1865–1932), einem gebürtigen Westpreußen.

1896 kommt Fischer nach Rixdorf, schon wenige Monate später, am 1. Oktober 1897, legt er den Grundstein für das „Naturhistorische Schulmuseum“ am Hohenzollernplatz, dem heutigen Karl-Marx-Platz.

Der Name des Hauses ist mit Bedacht gewählt. Er befinde sich in einer Zeit, so schreibt Fischer, „in der Rixdorf nicht in der Lage ist, die wie Pilze aus der Erde wachsenden Schulen so gut mit Lehrmitteln auszustatten, wie es für einen erziehlichen und erfolgreichen Unterricht unbedingt erforderlich ist“.

So gibt es im Haus Anschauungsmaterial für den Erdkundeunterricht, Informationen über ferne Länder und naturgeschichtliche Objekte. Aber auch Erwachsene sind in der Volksbildungsanstalt willkommen, auf dass ihr „Verständnis für die Errungenschaften der Neuzeit und Liebe zur deutschen Heimat“ geweckt werde, so Fischer. Erstaunlich modern sein pädagogischer Ansatz: „Es muss ansprechen, einnehmen, festhalten, zum Verweilen und Betrachten, zur Mitarbeit anregen und zur Wiederkehr zwingen.“

Emil Fischer bleibt bis 1930 Leiter des Museums, das mehrmals seinen Standort wechselt und von Schule zu Schule zieht. Ab 1925 bis zu seinem Tode gibt er auch die „Neuköllner Heimatblätter“ heraus. Außerdem gilt Fischer als Gründer des Neuköllner Heimatvereins, er erwähnt ihn 1920 zum ersten Mal. Offiziellen Eingang ins Vereinsregister findet er erst 17 Jahre später.

Wie ging es mit dem Museum weiter? Der neue Leiter Felix Woldt führt es ab 1934 unter dem Namen „Neuköllner Schul- und Heimatmuseum“. Die Nationalsozialisten, große Beschwörer des Heimatgedankens, den auch Emil Fischer propagiert hatte, benennen das Museum 1936 nach seinem Gründer. Im Zweiten Weltkrieg werden große Teile der Bestände zerstört. Nach der Kapitulation berappelt sich das Museum nach und nach wieder.

Preis für zwei „Museumslehrer“

Anfang der 1960er-Jahre zieht es an die Ganghoferstraße, in das prächtige, von Reinhold Kiehl errichtete Gebäudeensemble, das vor allem das Stadtbad beherbergt. Zuvor hat die Bezirksbibliothek dort ihren Sitz gehabt, sie wechselte jedoch wegen Platzmangels in einen Neubau an der Erlanger Straße (der wiederum 1997 den Neukölln Arcaden weichen muss).

Eine konzeptionelle Neuausrichtung beginnt 1985 mit Dorothea Kolland als Kulturamtsleiterin und Udo Gößwald als Museumschef. Projektbezogen werden nun unterschiedliche sozial- und kulturgeschichtliche Themen bearbeitet – unter Einbeziehung der Menschen vor Ort. Es gibt zwei Museumslehrer, die jeweils die Hälfte ihrer Arbeitszeit in der Schule und im Museum arbeiten. Diese Ansätze belohnt der Europarat 1987 mit dem Museumspreis.

Der Umzug auf den ehemaligen Gutshof Britz 2010 ist umstritten. Schließlich wandert das Museum vom Zentrum in eine eher beschauliche Gegend. Doch die Besucherzahlen entwickeln sich allen Unkenrufen zum Trotz sehr gut. Im ehemaligen Pferde- und Ochsenstall des Gutes finden die Besucher seitdem im Erdgeschoss Ausstellungsräume und im ersten Stockwerk den Geschichtsspeicher.

Autor:

Susanne Schilp aus Neukölln

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