Viele Kinder gehen nicht mehr aufs Klo
Eltern haben Klassenräume renoviert – doch Flure und Toiletten sehen weiterhin schlimm aus
Sonja Buxbaum und Jenni Dörr lieben die Rütli-Schule – das pädagogische Konzept, die engagierten Lehrer, den bunten Mix an Kindern. Was sie jedoch nicht mehr hinnehmen wollten, ist der Dreck. Deshalb haben sie gemeinsam mit anderen Eltern rund 20 Klassenräume gründlich renoviert. Zufrieden sind sie aber noch nicht.
Als Sonja Buxbaum im vergangenen Jahr endgültig von Wien nach Neukölln übersiedelte und die künftige Schule ihrer beiden Kinder besichtigte, konnte sie es nicht glauben: stinkende Toiletten, verdreckte Flure, Spinnweben, bröckelnde Decken, wackeliges Mobiliar, Lehrer, die selbst zu Lappen und Besen greifen mussten. Das war sie aus ihrer Heimat nicht gewohnt. Im Gegenteil, dort sei es Ehrensache, vor dem sommerlichen Schulbeginn alles auf Hochglanz zu bringen. „Aber ich fand die Menschen hier so nett und dachte: Ein Jahr wird es schon gehen“, erzählt sie.
Ursprünglich nämlich sollten die 400 Kinder der Grundstufe in diesem September vom über 100 Jahre alten Bau an der Weserstraße in die benachbarten neuen Gebäude des Campus Rütli umziehen. Doch dann sickerte die Nachricht durch: Wegen Bauverzögerungen würde sich das Ganze verschieben – wahrscheinlich um drei Jahre (die Berliner Woche berichtete).
Jetzt riss vielen der Geduldsfaden, denn es war nicht abzusehen, dass sich im alten Gebäude etwas ändern würde. Das zeigen schon die Eckdaten: Eine einzige Putzkraft hat drei Stunden am Tag Zeit sauberzumachen. Eine Grundreinigung der Flure steht einmal im Jahr, der Klassenräume sogar nur alle zwei Jahre auf dem Programm. So ist das in Berlin üblich. Also beschlossen einige Eltern, selbst aktiv zu werden und zu renovieren. „Wir haben gesagt: Das ist zwar nicht unsere Aufgabe, aber wir machen das“, sagt Jenni Dörr. Es folgten Gespräche mit der Schulleitung, bürokratische Hürden waren zu nehmen, Versicherungen abzuschließen. Vom Bezirksamt kam die Zusage, Material zu stellen und die Anschaffung von Möbeln vorzuziehen.
Dann ging es los: In den Klassenräumen wurde gespachtelt, gebohrt, verputzt, gestrichen, Fenster, Heizkörper und Böden gewienert, neue Vorhänge gekauft und aufgehängt. An manchen Tagen waren 15 Mütter und Väter vor Ort, manchmal nur zwei. „Ich will gar nicht erzählen, was ich alles aus den Ritzen geholt habe“, sagt Sonja Buxmann. Und deutet es dann doch an: „Dreck von mindestens 15 Jahren – vom Bastelmaterial bis zum Kaugummi.“
Gewerkelt wurde abends, an den Wochenenden und auch während der Schulzeit. „Die Lehrer haben geholfen, Kisten gepackt, Sperrmüll geschleppt, die neuen Möbel aufgebaut“, so Jenni Dörr. Die Klassenräume sehen jetzt gut aus. „Und die Kinder dürfen endlich die Schuhe ausziehen und sich auch mal auf den Boden setzen.“ Daran sei vorher nicht einmal zu denken gewesen. Der Negativeffekt: „Die Klassen sind zwar schick, aber jetzt fällt noch mehr auf, wie klebrig und schmierig die Flure sind“, sagt Buxbaum. Auch die Toiletten seien weiter in einem erbärmlichen Zustand, daran habe auch die jüngst erfolgte Grundreinigung nichts geändert. Der üble Geruch von den Jungsklos, der den Besucher gleich im Erdgeschoss empfängt, habe ebenfalls nicht wirklich nachgelassen.
Hier brauche es eine professionelle Desinfektion und den Einsatz eines Hochdruckreinigers. Ganz zu schweigen vom Austausch der schmutzigen Klobürsten. „Meine Tochter geht hier nicht mehr auf die Toilette, sie hält aus, bis sie im Hort ist“, sagt Dörr. Und da sei sie nicht die einzige.
Die beiden Frauen kritisieren, dass von offizieller Seite zu wenig informiert worden sei. Niemand habe sich das Haus einmal gründlich angesehen, erst auf Einladung kam Anfang des Jahres die damalige Bürgermeisterin Franziska Giffey vorbei. „Dabei sollen wir doch Vorzeige-Schule werden“, sagen die beiden.
Autor:Susanne Schilp aus Neukölln |
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