Im Tandem den richtigen Weg finden
Erwachsene "Hürdenspringer" unterstützen Jugendliche
Was möchte ich beruflich machen, wie mein Leben gestalten? Mit wem kann ich ernsthaft über meine Ideen reden? Das sind Fragen, die viele Jugendliche bewegen. Hier setzt das Hürdenspringer-Projekt des Unionhilfswerks an, das seit 13 Jahren an der Röntgen-Schule an der Wildenbruchstraße läuft.
Das Prinzip ist einfach: Eine Schülerin beziehungsweise ein Schüler tut sich mit einem Erwachsenen zusammen. Das Tandem trifft sich im Schnitt einmal in der Woche in den Räumen der „Hürdenspringer“ am Karl-Marx-Platz oder an anderen Orten. „Was die beiden genau machen, richtet sich nach den Bedürfnissen der Jugendlichen“, erklärt Projektleiterin Ruth Oppl. Auf keinen Fall gehe es dabei um klassische Nachhilfe, sondern darum, dass die Schüler, die in der Regel 15 oder 16 Jahre alt sind, von der Lebenserfahrung des Mentors profitierten.
„Wir wollen nicht, dass die Jugendlichen in irgendeine Ausbildung oder irgendein Studium hineinstolpern und dann plötzlich merken, dass das nichts für sie ist“, so Oppl. Die älteren Partner könnten ihnen Wege eröffnen, neue Informationen geben. Und nicht nur das: Oft stütze der Austausch das Selbstbewusstsein, sodass die jungen Leute lernten, gut mit Krisen umzugehen. 20 Tandems gibt es derzeit an der Röntgen-Schule.
Eines besteht aus der 25-jährigen Studentin Jana und der 16-jährigen Elisa, die sich inzwischen anderthalb Jahre lang kennen. Manchmal gehen sie ein Eis essen, manchmal treffen sie sich im Park oder bei Elisa zu Hause. Sie sind auch schon zusammen gereist und ins Theater gegangen. Die beiden reden viel über Elisas berufliche Zukunft. Eigentlich hatte die Schülerin vor, Abitur zu machen und Jura zu studieren. Nach einem „Stärkentest“ bei der Industrie- und Handelskammer, der zeigte, dass Elisa viele Talente hat, entschied sich jedoch für eine Ausbildung in Richtung Büro und Wirtschaft, um erst einmal praktische Erfahrungen und Arbeitswissen zu sammeln. Danach sei immer noch Zeit für ein Studium, so die 16-Jährige.
Vorurteile und Klischees infrage stellen
Das Hürdenspringer-Prinzip funktioniere „ganz hervorragend“, sagt Oppl. Es sei toll zu erleben, wie unterschiedliche Kulturen, Schichten, Milieus und Generationen aufeinandertreffen. Und das Ganze habe nicht nur Vorteile für die Jugendlichen, sondern bringe auch bei den Erwachsenen manches Klischee oder Vorurteil zu Fall. „So kann es bei einer Mentorin erst einmal für Verwunderung sorgen, wenn ein Mädchen mit Kopftuch sich mit queeren Fragen beschäftigt“, so Oppl.
Apropos: Die Genderthematik sei für die junge Generation inzwischen ganz normal, nichtsdestoweniger zentral und von großem Interesse. „So wie für uns damals die Frage: Bin ich links oder rechts? oder: Welcher Jugendkultur will ich angehören?“, sagt die Projektleiterin. Der zweite große Komplex, der die Schüler umtreibe, sei die Sorge um das Klima, die Umwelt, die Zukunft. Auch hier bringe es ihnen viel, sich mit ihren Mentoren auszutauschen, die schon etwas mehr über das Leben wissen, um den für sie richtigen Weg zu finden, mit den Ängsten umzugehen.
Neue ehrenamtliche Mentoren sind willkommen. Sie können auf eine intensive Vorbereitung und Begleitung bauen. Wer mehr wissen möchte, hat am Donnerstag, 8. September, von 18 bis 20 Uhr am Karl-Marx-Platz 20 die Gelegenheit, einige Tandems und ihre Geschichten kennenzulernen. Und sie können sich davon überzeugen, dass Mentoren und Mentees miteinander auch gut aussehen. Denn das Treffen findet im Rahmen der Ausstellungseröffnung „Hürdenspringer im Porträt“ statt, das Fotos von Patricia Kallisch zeigt. Über die passenden Häppchen macht sich Ruth Oppl schon seit Wochen Gedanken. „So eine Vernissage ist für uns ja nicht alltäglich und aufregend“, sagt sie.
Das Hürdenspringer-Projekt ist zu erreichen unter Tel. 62 73 95 10 und per E-Mail an ruth.oppl@unionhilfswerk.de. Mehr Informationen gibt es unter www.huerdenspringer.unionhilfswerk.de.
Autor:Susanne Schilp aus Neukölln |
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