Lesekrake, Hängetüte und Schwebetreppe
Kinder und Jugendliche der Evangelischen Schule entwerfen ihre Lern- und Rückzugsorte selbst
Im Klassenzimmer baumelt eine Entspannungsmatte von der Decke, auf dem Flur ziehen sich zwei Kinder in einen Kuschelkokon zurück: Diese Träume sollen bald Wirklichkeit werden. In der Evangelischen Schule, Mainzer Straße 47, wurden am 3. Mai Entwürfe für Möbel der ganz anderen Art präsentiert.
Beim Projekt „Lern-Raum-Labor“ dabei waren Kinder der Grundschule und der Mittelstufe. Sie machten sich Gedanken über eine gemütlichere Lernumgebung, sammelten Ideen und fertigten Zeichnungen an. Danach standen ihnen Architekturstudenten der Universität Cottbus zur Seite. Gemeinsam bauten sie die erdachten Möbel aus stabiler Pappe in Originalgröße nach.
Die Entwürfe können sich sehen lassen. Zwei Mädchen stellten ihre „schwebende Tüte“ vor, eine Art hängender kleiner Wigwam. Praktisch: Unter der Sitz-Liege-Fläche bietet ein Fach Platz für Schuhe und Ranzen. Oder der Lern-Dschungel mit einem Elefanten, auf dessen Rücken es sich schmökern lässt, während sein Bauch zum Rückzug einlädt. Die Front ist austauschbar, so dass das Rüsseltier auch eine andere Gestalt annehmen kann.
Entgegen den Designkonventionen
Auch der Lesekrake ist wandelbar. Kopf und Arme des Tintenfischs krönen ein großes Oval, das an der Wand befestigt ist und in das locker zwei Kinder passen. Die Arme sind abnehmbar und als Kuschelkissen verwendbar. Haben die Mädchen und Jungen Lust auf ein anderes Tier, können sie den Ring umgestalten – indem sie im Werkunterricht eine neue Deko bauen. Zentral für die jungen Planer: „Alles ist immer so perfekt, so eckig, wir wollten etwas Rundes“, erklärt Viertklässlerin Luka.
Auch die Schwebetreppe von Charlotte und Mariella ist durchdacht. Die Idee: Mehrere Holzstufen werden mit Stahlseilen an der Flurwand angebracht. Dort lässt es sich dann im wahrsten Sinne des Wortes gut abhängen. Aber nicht nur das: Sitzt man auf einer der unteren Stufen, kann die nächsthöhere als kleiner Schreibtisch genutzt werden.
Lösungen für die Platznot
Dass die Möbel auch als Lernort dienen, ist wichtig. „Bei uns herrscht große Platznot“, sagt Thorsten Knauer. Er ist Leiter der Schule, die von rund 870 Kindern und Jugendlichen besucht wird – von Erstklässlern bis zu Abiturienten. Wollten kleine Gruppen sich zurückziehen, bleibe häufig nur der Flur. Zwar stehe bald eine Modernisierung des Gebäudes auf dem Plan, aber Lern-Dschungel & Co. könnten die Situation auf jeden Fall entspannen.
Getragen wird das Projekt von der Evangelischen Schulstiftung. Der Vorstandsvorsitzende Frank Olie hofft, dass er in den kommenden Monaten genug Geld zusammenbekommt, um die Möbel auch wirklich bauen zu lassen. „Einige Förderer haben wir schon um Boot“, sagt er. Neben Neukölln hat das „Lern-Raum-Labor“ auch in Köpenick, Steglitz und im brandenburgischen Wriezen stattgefunden – andere Evangelische Schulen sollen folgen.
Autor:Susanne Schilp aus Neukölln |
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