Tierisch gute Zuhörerin
Mischlingshund Cara hilft Kindern, ihre Scheu vorm Lesen zu überwinden
In den Osterferien hat die Helene-Nathan-Bibliothek eine tierische Mitarbeiterin begrüßt: Die Mischlingsdame Cara, ihres Zeichens Vorlesehund. Der Job hat ihr so gut gefallen, dass sie im Sommer wiederkommt.
Natürlich schnappt sich Cara nicht selbst ein Buch, sondern sie lässt sich von Kindern vorlesen. Das liebt sie. Wenn dabei Streicheleinheiten für sie abfallen – umso besser. Was die dreieinhalbjährige Hündin zur perfekten Zuhörerin macht: Sie lacht nicht über Fehler, sie unterbricht nicht, kritisiert nicht, verbessert nicht.
An zwei Tagen war sie in den Osterferien in der Bibliothek und hat sich für jedes Kind eine halbe Stunde Zeit genommen. In einer Kuschelecke im Veranstaltungsraum konnten kleiner Hund und kleiner Vorleser es sich gemütlich machen. Immer dabei war Simone Riedel, Caras Frauchen. „Meine Aufgabe ist es aber, mich unsichtbar zu machen“, sagt sie.
Ihre Anwesenheit sorge lediglich dafür, dass Cara nicht auf die Suche nach ihr gehe und ganz ruhig sei. Außerdem könne sie helfen, falls ein Mädchen oder ein Junge Angst vor dem Tier zeige oder eine Frage habe. „Außer mir und Cara ist aber keiner dabei, Erwachsene sind gerade für Kinder, die Schwierigkeiten oder Hemmungen beim Lesen haben, oft mit Misserfolg verknüpft.“
Anreiz, das Lesen durchzuhalten
Bevor es losgeht, suchen die Kinder ein Buch aus und haben ein wenig Zeit, sich mit Cara vertraut zu machen. Dann lesen sie etwa 15 bis 20 Minuten – in eigenem Tempo, auf eigene Art. Einen kleinen Anreiz durchzuhalten, gibt es jedoch: Pro geschaffte Seite sammeln die Kinder ein Leckerli. Die Ausbeute dürfen sie vor dem Abschiednehmen an die Hündin verfüttern. Und weil der Anblick eines köstlichen Happens Cara zuverlässig aus ihrer üblichen Tiefenentspannung reißt, lässt sie sich zu manchem Spiel oder Kunststück animieren, um ihn zu ergattern. Ein perfekter Abschluss der Vorlesezeit.
Die Idee zu dem Projekt kommt von Bibliotheksmitarbeiterin Miriam Körner. Sie studiert Bibliotheks- und Informationswissenschaft und schreibt ihre Abschlussarbeit über tiergestützte Leseförderung. Warum das Ganze nicht vor Ort ausprobieren, dachte sie sich, holte sich das Okay ihrer Chefin und fand über Facebook Simone Riedel und ihre Cara.
Ein Hund als Assistenz
Miriam Körner informierte Schulen im Bezirk über das Projekt und so kam es, dass kleine Gruppen nebst Betreuer vorbeikamen. Während ein Kind mit Cara las, schauten sich die anderen in der Kinderabteilung um. „Das Projekt richtet sich besonders an Schülerinnen und Schüler ab der zweiten Klasse, die Förderbedarf haben und schon ein bisschen lesen können“, erklärt sie. Es habe allen Beteiligten Spaß gemacht, in den großen Ferien gehe es auf jeden Fall weiter.
Das gefällt Cara, denn in der Urlaubszeit fehlt ihr der Kontakt zu Kindern. An den ist sie nämlich gewöhnt: Zwei bis drei Mal in der Woche begleitet sie Simone Riedel, die in Brandenburg an einer Förderschule unterrichtet, zur Arbeit. „Dort würfelt sie Matheaufgaben, zieht Antwortkarten, dreht das Glücksrad, lässt sich vorlesen und streicheln oder ist einfach nur da“, erzählt die Hundebesitzerin. Wird es der Beagle-Mix-Dame doch einmal zu viel, zieht sie sich in ihre Hundehütte im Klassenraum zurück. So lernen die Kinder ganz nebenbei, ein Tier mit seinen Bedürfnissen zu akzeptieren.
Naturtalent aus dem Süden
Cara hat keine großartige Ausbildung durchlaufen, sie ist ein Naturtalent. Ein gutes Jahr lebte sie auf der Straße auf den Kanarischen Inseln, mehr oder minder jedenfalls. „Eine obdachlose Hippie-Familie hat sie im Tierheim abgegeben, weil Cara zwar sehr sozial, aber auch recht selbstständig war und ständig herumgestromert ist“, erzählt Simone Riedel. Im Frühjahr 2017 landete die Hündin per Flugpaten in unseren Breitengraden und bei ihrer Besitzerin. Die hatte gezielt nach einem Vierbeiner gesucht, der mit ihr zur Schule gehen sollte. Es klappte perfekt. Ein Erbe hat Cara übrigens aus ihrer Heimat mitgebracht: Sie ist eine echte Sonnenanbeterin.
Autor:Susanne Schilp aus Neukölln |
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