Erfolgreiche Arbeit in Gefahr
Nach den Lockdowns ist die Arbeit von Morus 14 im Rollbergkiez nötiger denn je
Die gute Nachricht zuerst: In diesem Jahr hat der Neuköllner Verein Morus 14 mit seinen Bildungsangeboten insgesamt 388 Kinder und Jugendliche aus dem Rollbergviertel erreicht – so viele wie nie zuvor. Nun gleich zwei schlechte: Der Verein ist in akuter Geldnot und an den Schulen brodelt es.
„Unsere Arbeit ist gerade jetzt wichtig“, sagt Susanne Weiß, Geschäftsführerin des Vereins, der seinen Sitz in der Werbellinstraße 41 hat. Die Folgen der Corona-Pandemie würden erst jetzt in aller Schärfe sichtbar. Vor allem Jugendliche zeigten psychische Auffälligkeiten. Manche kennten keine Grenzen mehr und reagierten nicht auf Ansprache. Kleine Konflikte in der Schule eskalierten, immer häufiger müsse sogar die Polizei gerufen werden. Für die Lehrer eine Riesenbelastung. Wie sollen die Schüler Lernrückstände aufholen, wenn ein normaler Unterricht kaum möglich ist?
Woher kommen die Aggressionen? Mit der Schließung der Schulen während des Corona-Lockdowns seien für viele Familien in dem sozialen Brennpunktkiez die Strukturen weggebrochen. „Etliche Kinder haben bis nachts gedaddelt, sind aufgestanden, wann sie wollten“, so Weiß. Auch das Homeschooling habe schlecht funktioniert. Die Schwierigkeiten reichten von zu geringer Internetbandbreite bis zu beengten Wohnverhältnissen. „Im Schnitt leben hier etwa sechs Personen in zwei oder drei Zimmern. Oft haben die Kinder keinen eigenen Schreibtisch. Wenn unter solchen Bedingungen vier Geschwister gleichzeitig lernen sollen, sind sie und die Eltern völlig überfordert.“ Sie sei bestürzt gewesen, als nach dem ersten Lockdown ein Junge vor der Tür stand, den sie als aufgeweckt kannte. „Er konnte sich kaum artikulieren und hat gestammelt. Andere haben wahnsinnig zugenommen.“
In dieser Situation ist der Verein Morus 14 besonders gefordert. Seit fast 20 Jahren organisiert er Nachhilfeunterricht, dazu kamen im Laufe der Zeit unterschiedliche Patenschaftsprojekte, Prüfungsvorbereitungen und auch Freizeitangebote. Derzeit kann sich der Verein auf 91 Ehrenamtliche stützen. Dass die Arbeit etwas bringt, zeigt beispielsweise das Projekt „Auf!Leben“, bei dem ein Erwachsener ein Kind begleitet, ohne dass Nachhilfeunterricht im Vordergrund steht. „Eine Studie hat bewiesen: Schon nach einer einjährigen Patenschaft steigt die Chance, dass ein Kinder aufs Gymnasium gehen kann, um elf Prozent“, so Weiß.
Auch das im Sommer beendete Pilotprojekt „Fit und schlau“ war ein Erfolg. Dabei wurden alle Kinder einer Klasse während ihrer gesamten Grundschulzeit von Mentoren unterstützt. Sowohl ihre schulischen Leistungen als auch ihr Wohlbefinden seien nach den Corona-Einschränkungen schnell wieder nahezu auf dem alten Level gewesen, berichtet Weiß. Ebenfalls bemerkenswert: Alle 19 Kinder haben sich mit dem Wechsel auf die Oberschule nicht nur intensiv beschäftigt, sondern es auch auf ihre Wunschschule geschafft.
Seit Beginn an finanziert sich der vielfach ausgezeichnete Verein aus unterschiedlichen Töpfen, ist auf Projektmittel, Sponsoren und Spenden angewiesen. Doch momentan ist die Lage besonders dramatisch. Das Spendenaufkommen ist im Vergleich zu den Vorjahren stark gesunken. Geschuldet ist das nicht nur der allgemeinen wirtschaftlichen Krise, sondern auch den „konkurrierenden“ Ukraine-Projekten, meint Susanne Weiß. Sie hofft auf einen konstanten Geldgeber oder eine Grundfinanzierung vom Land Berlin, aber auch auf neue einzelne Spender. Ändere sich nicht schnell etwas, müsse der Verein seine Angebote eindampfen oder sogar ganz aufgeben. „Dabei brauchen wir viel mehr Geld für Zukunftsperspektiven, damit es nicht mehr so viele Jugendliche ohne Abschluss und Berufsausbildung gibt“, betont Weiß.
Weitere Informationen gibt es auf www.morus14.de und unter Tel. 68 08 61 10.
Autor:Susanne Schilp aus Neukölln |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.