"Ein Schock für die Kinder"
Staatsanwaltschaft beschlagnahmt Immobilien eines Neuköllner Clans

Stadtrat Falko Liecke fordert ein berlinweites Konzept gegen kriminelle Großfamilien. | Foto: Susanne Schilp
  • Stadtrat Falko Liecke fordert ein berlinweites Konzept gegen kriminelle Großfamilien.
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Mitte Juli ist der Berliner Staatsanwaltschaft ein Schlag gegen die arabische Großfamilie R. gelungen. Sie beschlagnahmte 77 Immobilien im Wert von rund zehn Millionen Euro. Gegen 16 Personen wird wegen Geldwäsche ermittelt.

Staatsanwalt Bernhard Mix erklärte bei einer Pressekonferenz am 19. Juli die Hintergründe. Ausgangspunkt der Ermittlungen sei ein Sparkassenraub in Mariendorf gewesen, bei dem die Täter im Jahr 2014 rund neun Millionen Euro erbeutet hatten. Einer der Räuber, Mitglied der Familie R., wurde gefasst, die Beute blieb verschwunden. Einige Zeit später kaufte der Bruder des Verhafteten, ein Hartz-IV-Empfänger, mehrere Eigentumswohnungen.

Nach und nach stießen die Ermittler auf immer mehr Käufe, bei denen die Herkunft des Geldes unklar war. Sie gehen davon aus, dass es aus Straftaten stammt. Nun stehen die Immobilien – darunter auch eine Kleingartenanlage – unter Zwangsverwaltung. Die Familie hat keinen Zugriff mehr auf die Einnahmen.

Der Clan ist der Polizei seit langem bekannt: Unter anderem soll er für den spektakulären Raub der „Big Maple Leaf“ aus dem Bodemuseum verantwortlich sein. Die 100-Kilo-Goldmünze hatte einen Wert von 3,7 Millionen Euro. „Allein in Neukölln gehen hunderte Straftaten auf das Konto dieser weitverzweigten Familie“, sagt Jugendstadtrat Falko Liecke (CDU).

Das Spektrum reiche von Diebstahlserien in Möbelhäusern über Einbrüche bis hin zu Betrugstaten an Tankstellen. Auch die beiden Vermummten, die 2017 einen Mann in Britz totgeschlagen haben, stammen vermutlich aus der Großfamilie, zu der mehrere Hundert Mitglieder gehören. Der Stadtrat begrüßt das Vorgehen der Staatsanwaltschaft und hält den Zeitpunkt für gekommen, die Strukturen krimineller Clans langfristig zu schwächen. „Der Schlag gegen die Familie R. kann ein Signal an die Kinder sein. Sie sehen jetzt zum ersten Mal, dass der Staat sich wehrt. Sie müssen das als ganz neue Erfahrung und als großen Schock wahrnehmen. Wir müssen das nutzen und auf allen Ebenen nachsetzen“, sagt er.

Bisher hätten pädagogische und gerichtliche Mittel oft versagt. „Wenn selbst mehrmonatiger Jugendarrest kein Einsehen bringt, ist klar: Die Kinder sind nur das Symptom. Die Familien sind das Problem.“

Wichtig sei es, dafür zu sorgen, dass Minderjährige aus den Strukturen ihrer Familien ausbrechen könnten, sagt Liecke. Neukölln sei bisher der einzige Bezirk, der ein Handlungskonzept gegen Kinder- und Jugendkriminalität entwickelt habe und umsetze. Er fordert vom Senat, nun ein berlinweites Konzept zu erarbeiten, um in Zukunft strukturiert gegen die Clans vorgehen zu können.

Einige der Machenschaften wären schon mit „ein wenig Fingerspitzengefühl“ zu verhindern, meint der Stadtrat. „Wenn ein 19-Jähriger für 200 000 Euro von einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft ein Haus in Buckow für seinen Clan kauft, kann das nicht mit rechten Dingen zugehen.“ Er versteht nicht, warum hier nicht überprüft worden ist, woher das Geld stammte.

Gerrit Kringel, Vorsitzender der CDU-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV), ist es besonders ein Dorn im Auge, dass die kriminellen Großfamilien in aller Regel auch noch Sozialleistungen beziehen. „Die Spur des Geldes führt zum Erfolg. Wäre nicht aufgefallen, dass der Bruder eines Täters Wohnungen kauft, obwohl er bis dahin von Hartz IV lebte, hätte sich das große Puzzle nie zusammengefügt.“

Hier setze seine Fraktion an. So habe sie im vergangenen Jahr einen Datenabgleich zwischen Jobcenter und der Kraftfahrzeugzulassungsstelle gefordert, um Sozialbetrügern auf die Schliche zu kommen. „Wer sich auffällig dicke Schlitten gönnt, braucht zur Sicherung seiner Existenz eher keine Unterstützung. Oder aber hat mit hoher Wahrscheinlichkeit Dreck am Stecken“, so Kringel.

Doch der CDU-Antrag wurde von SPD, Grünen und Linken abgelehnt. „Größter Gegner war übrigens Martin Hikel, damals SPD-Fraktionsvorsitzender in der BVV, heute Bezirksbürgermeister“, kritisiert Kringel. Martin Hikel (SPD) kann diese Aussage nicht nachvollziehen. Bei der Beratung des Antrags im Sozialausschuss sei er nicht anwesend gewesen. Auch während späterer Diskussionen in der BVV und bei anderen Gelegenheiten habe er sich dazu nicht geäußert.

Es gebe aber einen klaren Grund, warum die Mehrheit der Bezirksverordneten den Antrag abgelehnt habe. „Bei den Ausschussberatungen stellte sich heraus, dass es die Möglichkeit des Datenabgleichs zwischen Jobcenter und Kraftfahrzeugzulassungsstelle bereits gibt und es dieses Antrages gar nicht bedurfte.“ Die Aussagen von Gerrit Kringel bezeichnet Hikel als ein „leicht zu durchschauendes Täuschungsmanöver“.

Autor:

Susanne Schilp aus Neukölln

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