Flüchtlingskinder werden zu Opfern
Connie Roters erzählt in ihrem Krimi von Missbrauch und Mord
„Es ist kein einfaches Buch“, sagt Connie Roters über ihren vierten Krimi, der gerade erschienen ist. „Das tote Kind im Wind“ handelt von Pädophilie, Missbrauch und Mord. Gewidmet ist es dem vierjährigen Mohamed, der 2015 vor dem Landesamt für Gesundheit und Soziales von einem deutschen Mann entführt und wenig später erdrosselt aufgefunden wurde.
Die Geschichte der Neuköllner Autorin beginnt in Büsum. Auf einem Spielplatz sitzt ein sechsjähriger syrischer Flüchtlingsjunge, festgebunden auf der Schaukel, nackt und tot. Ein Team von der Kripo Schleswig-Holstein ermittelt fieberhaft. Die Spur führt nach Berlin. Dort wird wenig später ein zwölfjähriger rumänischer Stricher ermordet. Die beiden Fälle ähneln sich, und doch weisen sie Unterschiede auf. Hauptkommissarin Nina Schwarz, Max Klingsmann und ihr koksender Kollege David Menger – offiziell vom Dienst suspendiert – übernehmen den Fall. Dann verschwindet ein Kind aus dem Aufnahmelager Flughafen Tempelhof. Gelingt es der Polizei, es rechtzeitig zu finden?
Im Buch geht es um mehr als nur darum, einen anonymen Mörder zu fassen. Denn auch der Täter kommt zu Wort. Im ersten, dem Büsumer Teil, nur kurz, später schaltet er sich häufig ein. „Ich möchte zeigen, dass auch er ein Mensch ist, mit einer Frau, einer Tochter“, sagt Roters. So nimmt sie immer wieder die Sichtweise eines Mannes ein, der gefangen ist in Gefühlen, die er als Junge erlebte. Der die wahnhafte Vorstellung hat, von einem Kind geliebt werden zu können wie von einem echten Partner.
Zwei Jahre lang hat Connie Roters an ihrem Roman gearbeitet. „Zwischendurch musste ich aufhören, weil mir das Ganze zu viel wurde. Aber ich möchte das Medium Krimi nutzen, um Fakten rüberzubringen“, erzählt sie. Sie hat sich mit dem Thema intensiv befasst, mit Theorien, die zu erklären versuchen, warum jemand pädophil wird, mit dem Charité-Prävententionsnetzwerk „Kein Täter werden“. Fassungslos hätten sie in diesem Zusammenhang die hohen Zahlen von verschwundenen unbegleiteten Flüchtlingen gemacht. „Viele landen in der Prostitution oder als moderne Haussklaven, Täter sind oft die ehemaligen Schlepper. Das ist ein europaweites Problem.“
Die Schwere des Themas erträglicher machen
Um der Schwere des Themas etwas entgegenzusetzen, hat Connie Roters auch amüsante Situationen in ihr Buch eingebaut. So gibt es zwischen den sehr unterschiedlichen Charakteren im Berliner Ermittlerteam immer wieder Zoff, und auch die mehr oder weniger inoffizielle Zusammenarbeit mit den Schleswig-Holsteinern birgt Verwicklungen.
Schließlich wird es für den Leser interessant sein, den Romanhelden an norddeutsche und vor allem an Berliner Orte zu folgen: ins Polizeipräsidium am Columbiadamm, zum Strichertreffpunkt am Karpfenteich im Treptower Park, zu einem Drogendealer an die Sonnenalle, zu einer alten Lagerhalle am Kiehlufer oder in Nina Schwarz’ Tempelhofer Wohnung, die sie mit ihrer kiffenden Freundin teilt. Wie auch immer: Leicht sei es nicht gewesen, einen Verlag zu finden, der bereit war, einen Krimi über Kindesmissbrauch zu veröffentlichen, berichtet Roters.
Doch für sie gehört es zum Schreiben dazu, gesellschaftliche Probleme anzusprechen. In ihren ersten Krimis ging es um einen ehemaligen Afghanistan-Soldaten, um Drogen und die Neo-Nazi-Szene.
Auch für ihr nächstes Buch hat sie sich ein „schweres“ Thema ausgesucht. Den Ausschlag gab ein Interview mit dem Leiter der Bahnhofsmission. Er erzählte von dementen Obdachlosen, die durch die Stadt irren. „Ohne Ausweis, ohne Identität nimmt sie kein Heim oder Krankenhaus auf Dauer auf. Sie verhungern oder verdursten einfach“, so Connie Roters.
Wer Connie Roters live erleben möchte: Am Donnerstag, 16. Januar 2020, liest sie um 18 Uhr in der Helene-Nathan-Bibliothek, Karl-Marx-Straße 66, aus ihrem Buch, musikalisch begleitet von Frank Schröder.
Connie Roters: Das tote Kind im Wind, Parlez Verlag, Hardcover, 22,90 Euro, ISBN 978-3-86327-054-4.
Autor:Susanne Schilp aus Neukölln |
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