Keine Chance dem November-Blues
Das verwunschene "Silent Rixdorf" verabschiedet sich mit Feuerschale und Musik in den Winter
Das „Silent Rixdorf“ ist eine Oase im Böhmischen Dorf und ein ganz besonderer Veranstaltungsort. Wer ihn noch nicht kennt, kann, bevor die Winterpause beginnt, an den nächsten Sonnabenden vorbeikommen. Dann gibt es Musik gegen den November-Blues.
Vor rund fünf Jahren beschlossen Karin Zwick und ihre Familie, ihren rund 800 Quadratmeter großen Privatgarten im Wanzlikpfad 3 mit der Nachbarschaft zu teilen. Mittlerweile hat sich ein Verein gegründet, der Konzerte, Filmabende, Lesungen und mehr auf die Beine stellt. Das ungewöhnliche Konzept sorgt dafür, dass die Anwohner ungestört bleiben. Bei fast allen Veranstaltungen werden nämlich Kopfhörer verliehen, sie finden daher „silent“, also lautlos, statt. Nicht einmal Applaus ist jenseits des hohen Zauns zu vernehmen, die Besucher wedeln bei Gefallen mit den Händen.
Im Sommer ist der Garten an vier Nachmittagen in der Woche geöffnet. Dann können die Nachbarn auch einfach zum Entspannen vorbeikommen und die Natur genießen. Sie empfängt ein kleines Paradies: Dort blüht und wächst es, eine Hühnerschar läuft frei herum, im kleinen Flachgewässer wimmelt es vor Lebewesen, ein Imker hat Bienenkästen aufgestellt. „Hier gibt es jede Menge seltene Insekten. Manchmal kommen Schulklassen vorbei, und die Kinder staunen über die Vielfalt“, erzählt Karin Zwick. Gestaunt werden darf auch über Objekte, die in normalen Gärten eher nicht zu finden sind. In einer abgestorbenen Stechpalme hängen Kronleuchter, ausgediente Diamant-Bohrkronen baumeln zwischen Bäumen und tönen, in Bewegung gesetzt, wie Kirchenglocken, in einer Kuhle liegen große Amphoren.
Karin Zwick teilt auch Früchte ihres Gartens, etwa wenn die Walnuss- oder Szechuanpfeffer-Ernte besonders gut war. Dann informiert sie ihre große WhatsApp-Gruppe und lädt ein. Auch eigener Honig kann geschleudert werden. Ein persönliches Highlight für Karin Zwick ist das Hühnerwillkommensfest im Frühjahr. Dann werden neue gefiederte Mädels begrüßt – mit Eierlaufen, Quiz & Co. Für Nachwuchs muss sie sorgen, denn es stirbt nicht nur ab und zu ein Huhn auf natürliche Weise, auch Füchse sind unterwegs.
Was der Garteneigentümerin sehr am Herzen liegt, ist Food-Sharing. Jeden Dienstag holen ihr Mann, ihr Sohn und einige Helfer Lebensmittel ab, die bei den Berliner Tafeln übriggeblieben sind. Die werden dann von 14 bis 16.30 Uhr an Bedürftige verteilt – das ganze Jahr über, hier wird nicht pausiert. Außerdem hat Karin Zwick das „Plant Sharing“ ins Leben gerufen, dank der Bekanntschaft mit einer Gärtnerin. Die muss im Herbst Stauden teilen, um sie zu verjüngen. Statt auf dem Kompost zu landen, geht nun die nicht mehr gebrauchte Hälfte zum Wanzlikpfad. „Im vergangenen Jahr gab es viele Astern, dieses Jahr Iris“, sagt sie.
Doch nun zu den „Gegen den November-Blues“-Veranstaltungen, die an den kommenden Sonnabenden von 17 bis 22 Uhr stattfinden. Dabei geht es ausnahmsweise nicht „silent“ zu, sondern die kleinen und großen Besucher machen es sich an der Feuerschale gemütlich, rösten Stockbrot und genießen rund eine Stunde lang Musik. Stärken können sie sich mit Bratwurst oder einem veganen Gericht. Für Glühwein, Bier & Co. ist ebenfalls gesorgt. Der Eintritt ist frei, um Spenden für die Musiker wird gebeten.
„Der Ort ist so fantastisch, ich freue mich wahnsinnig auf meinen Auftritt“, sagt Lola Bolze, die am 23. November singen wird. Die Neuköllnerin mit Berliner Schnauze wird Kabarettnummern und Gassenhauer zu Gehör bringen. „Das wird ein ausgesprochenes Mitsingkonzert“, kündigt sie an. Im Gepäck hat sie Stücke wie „Die fesche Lola“, „Wer schmeißt denn da mit Lehm“, „Kreuzberger Nächte sind lang“ und natürlich „In Rixdorf ist Musike“.
Lange war Lola Bolze mit ihrem Pianist Jorge Idelsohn als Duo PianLola zu erleben. Heute ist sie auch oft solo unterwegs – auf Bühnen, Partys, Geburtstagen und und und. Womit sie anfangs nicht gerechnet hat, ist der enorme Erfolg, den sie mit Auftritten in Senioreneinrichtungen hat. „Das läuft unglaublich gut, macht großen Spaß und ist für mich zu einer Herzensangelegenheit geworden“, erzählt sie. Nun aber bereite sie sich auf das „Silent Rixdorf“ vor, wo sie zum zweiten Mal auf der Bühne stehen wird.
Das letzte „Gegen den November-Blues“ der Saison findet am 30. November statt. Dann ist die One-Man-Band Tom Blacksmith zu erleben. Mehr Informationen gibt es unter silentrixdorf.de.
Autor:Susanne Schilp aus Neukölln |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.