"So können wir nicht weitermachen"
Der KinderKulturMonat kämpft ums Überleben
Der KinderKulturMonat, eine Neuköllner Erfindung, findet seit Jahren in ganz Berlin statt. Jeweils an den Oktoberwochenenden können Mädchen und Jungen Theater, Museen, Opern und andere Orte für sich entdecken – zum Nulltarif. Doch jetzt schlagen die Organisatoren Alarm. Es droht das Aus.
Entgegen aller Versprechungen: Im Entwurf für den Berliner Doppelhaushalt 2020/21 ist der KinderKulturMonat nicht berücksichtigt. Obwohl Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) die Schirmherrin ist, trotz des Versprechens von Staatssekretärin Sigrid Klebba, sich für eine Regelfinanzierung einzusetzen. Rund 350 000 Euro im Jahr würden für das einzige große Kinder-Kulturfestival gebraucht. „Berlin hat momentan Geld, wenn nicht jetzt, wann dann?“, fragt Chris Benedict vom WerkStadt Kulturverein Berlin.
Der hat seinen Sitz an der Emser Straße 124. Er gründete sich vor elf Jahren als Begegnungsstätte und Ausstellungsraum. Außerdem gibt es Ateliers, Fotolabors, Werkstätten und mehr. „Ursprünglich waren Erwachsene unsere Zielgruppe“, berichtet Benedict. Doch dann stießen zwei Niederländer zu den Kunstfreunden und erzählten, dass es bei ihnen zu Hause kostenlose Kulturwochen für Kinder und Erwachsene gebe.
Die Idee nahm Form an. „Wir wollten etwas für alle Vier- bis Zwölfjährigen machen, und nicht nur für die, die üblicherweise kommen“, so Benedict. Der Verein kontaktierte Stätten wie die Galerie im Körnerpark und das Museum Neukölln, außerdem Grundschulen, denen einwöchige Projektwochen mit Künstlern angeboten wurden. Die Reaktion war mehr als gut. „Unser Gedanke, das Ganze auf Neukölln und Kreuzberg zu beschränken, war schnell zu den Akten gelegt. Schon im ersten Jahr war die Nachfrage so hoch, dass 32 Orte in sechs Bezirken mitmachten“, sagt die Kulturwissenschaftlerin.
Ungeahnte Talente
Heute läuft das Festival in der ganzen Stadt. Es gibt über 120 Veranstaltungen mit mehr als 6000 Besuchern. Die Mädchen und Jungen werfen nicht nur Blicke hinter die Kulissen von Kulturhäusern und stellen Fragen, sondern werden selbst aktiv. Sie nehmen Pinsel in die Hand, greifen zur Geige, versuchen Tanzschritte. „Etliche Kinder sind das allererste Mal an einem solchen Ort. Dieser Moment ist oft der Ausgangspunkt für ungeahnte Leidenschaften und die Entdeckung von Talenten“, so Benedict.
Bisher hangelte sich das Projekt von Fördertopf zu Fördertopf. Anfangs gab es Sachmittel vom Quartiersmanagement, Mittel aus Stiftungen und Lotterie. Im vergangenen Jahr floss Geld aus dem landeseigenen Projektfonds kulturelle Bildung. Das wurde auch dieses Jahr erwartet, doch die erforderliche Zweidrittelmehrheit der Jury wurde nicht erreicht. So war der Verein auf eine Notfallfinanzierung aus dem Haus der Bildungssenatorin angewiesen. „Wir mussten viel streichen. Zum Beispiel konnten keine Künstler in Familienzentren und Flüchtlingsunterkünfte fahren, um Ausflüge mit den Kindern zu machen, erste Workshops anzubieten und Kontakt zu den Eltern zu knüpfen. Dabei ist das ein Herzstück unserer Arbeit“, sagt Chris Benedict. Auch die Auftakt-Pressekonferenz müsse entfallen.
Offener Brief an Ausschüsse
Der Verein sei das ganze Jahr über mit der Organisation beschäftigt: „Seit 2012 arbeiten wir größtenteils ehrenamtlich und bemühen uns um Sponsoring. Langsam geht uns die Luft aus. Entweder die Stadt findet es super, was wir machen und gibt Geld, oder es gibt das Ganze nicht mehr. So können wir nicht weitermachen.“
Noch besteht Hoffnung. Derzeit wird der Haushaltsplanentwurf im Abgeordnetenhaus diskutiert. Mehr als 50 Kultureinrichtungen haben einen offenen Brief an die Mitglieder des Bildungs-, des Kultur- und des Hauptausschusses geschickt und um Unterstützung gebeten. Die Unterzeichnerliste reicht von A wie Akademie für Malerei bis Z wie Zitadelle Spandau. „Der KinderKulturMonat belebt Netzwerke an den Schnittstellen zwischen Kultur und Sozialem und ermöglicht damit das Zusammenkommen von Kindern aus verschiedensten gesellschaftlichen Gruppen“, heißt es in dem Brief.
Doch gerade diese Schnittstellen machen es der Politik möglich, sich gegenseitig die Verantwortung zuzuschieben. „Ständig heißt es: Gehört ihr nun zu Bildung oder zu Kultur? Uns ist das egal, die Ressorts können sich das auch gerne teilen“, so Benedict. Auch den Hinweis, ein großes zentrales Event – am besten unter einem Motto – biete eine höhere Chance auf Finanzierung, lehnt sie ab. „Wir wollen dezentral bleiben und Vielfalt und Freiheit bieten. Genau darum geht es doch.“
Infos und Veranstaltungsübersicht unter www.kinderkulturmonat.de.
Autor:Susanne Schilp aus Neukölln |
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